Erlösung
Erklärungen oder Scherze, die sie erneut falsch verstehen konnte und brachte Liz zuerst in den Raum, wo eines der berühmtesten Werke ausgestellt war. Nur zu zweit in diesem Zimmer zu sein, ohne große Kontrolle war wirklich recht verlockend. Doch ich hatte nicht vor, in das Kunstraubgewerbe einzusteigen.
„Wunderschön“, bemerkte Lesley beinahe andächtig, als sie Da Vinci´s Meisterwerk betrachtete. Dann neigte sie ihren Kopf etwas zur Seite und wieder zurück. „Aber ich hatte es mir doch etwas größer vorgestellt.“
Ich schmunzelte. „Das geht wohl allen Betrachtern so. Dennoch ist es einzigartig, findest du nicht? Man möchte einfach wissen, was diese Frau in jenem Moment wohl dachte.“ Sie nickte und ich setzte sie auf dem Boden ab. Wir gingen langsam weiter und ließen uns jetzt etwas mehr Zeit. Gemeinsam schlenderten wir durch einen anderen langen Gang, der mit einem Glasdach ausgestattet war. Auch hier hingen Kunstschätze von unsagbarem Wert, wobei ich mich nicht für alle Objekte oder Skulpturen begeistern konnte. Es gab allerdings ein Bild, das mich ebenso faszinierte wie meinen Engel. Wir ließen das Gemälde auf uns wirken, beinahe fünf Minuten standen wir schweigend nebeneinander.
„Die Freiheit führt das Volk an", las ich den Titel schließlich laut vor. „Das trifft es wohl ziemlich genau.“
„Ich verstehe zu wenig von Kunst, um seine Pinseltechnik adäquat beurteilen zu können, aber ich finde es einfach imposant.“ Sie grinste, wurde dann aber wieder ernst. „Deprimierend und hoffnungsvoll zugleich.“
„Ich weiß, was du meinst, es spiegelt die Revolution mit all´ ihren Facetten wider.“
Liz umarmte mich auf einmal. „Danke, dass du mir einen ganz privaten Einblick in den Louvre gegeben hast. Du machst so viel für mich und ich werde das nicht vergessen.“
„Das ist nicht der Rede wert.“
„Oh doch, ist es. Da muss ich Gerard beipflichten, dafür sind wir ihm wohl noch was schuldig. Ich will nicht wissen, was er hierfür alles tun musste.“
„Er kennt jemanden, der jemanden kennt, das geht schon, glaub´ mir.“ „Er scheint übrigens sehr nett zu sein.“
„Mehr als das. Wir kennen uns schon eine gefühlte Ewigkeit und auch wenn wir uns mal längere Zeit nicht sehen, ist es trotzdem sofort wieder wie früher zwischen uns. Auf ihn kann man sich wirklich verlassen.“
„Und wie habt ihr euch kennen gelernt?“
„Durch die Geschichte mit dem wütenden und betrogenen Ehemann… ich habe ihm damals, nun, sagen wir mal, aus der Patsche geholfen.“
„Hat er Vincent gekannt?“ Ihre Worte klangen vorsichtig.
„Nein. Gerard ist eher ein Teil meiner Vergangenheit, ein Stückchen meiner Heimat, wenn du so willst. Vincent war nach meiner Verwandlung nicht mehr in Frankreich. Ihm war der Rest Europas wohl einfach lieber gewesen.“ Ich küsste ihr weiches Haar. „Komm“, flüsterte ich. „Lass uns die Runde noch zu Ende gehen.“ Allmählich gingen wir wieder in die Richtung, aus der wir gekommen waren.
„Sag mal, hattest du vorhin eigentlich gesagt, dass `wir´ Gerard noch was schuldig sind?“
Sie nickte eifrig. „Wir beide, komme was wolle oder etwa nicht?“
„Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich liebe?“
„Vielleicht kannst du es mir noch einmal zeigen.“ Sie schenkte mir einen zweideutigen Augenaufschlag. Der Mann in mir wurde hellhörig.
„Lass uns zurück ins Hotel gehen.“
Alles oder nichts
„Also, diese Creme Brulée ist himmlisch.“ Lesley legte den Löffel beiseite und schob den Teller auf dem Servierwagen etwas zurück. „Das ist so gut, ich könnte ewig so weiter essen, wenn ich nicht bald platzen müsste.“ Sie klopfte sich behutsam auf den Bauch.
„Ich fürchte, dann müsste die Hotelküche bald schließen“, schmunzelte ich. Sie hatte sich zwei Vorspeisen, drei Hauptgerichte und zwei Desserts bestellt. Es war allerdings auch noch von allem viel übrig. Seit der Krebs stärker geworden war, hatte ihr Appetit deutlich nachgelassen.
„Haha, sehr witzig. Für ein Mädchen meiner Größe kann ich schon was vertragen, das solltest du inzwischen wissen.“
Ich überspielte meine eigentliche Wahrnehmung und nickte stattdessen anerkennend. „Ja und es ist immer noch sehr beeindruckend.“
„Mein Hunger hat heute aber auch noch einen anderen Grund. Ich möchte mich nämlich so lange wie möglich an meine Lieblingsgerichte erinnern, wenigstens an ein paar davon.“
„Das ist auch keine üble Idee. Ich weiß
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