Erlösung
Augenblick schossen meine spitzen Hauer hervor, um sich mit meinen menschlichen Eckzähnen zu verbinden. Alles an mir war bereit und als mich Lesley mit ihrem schmerzverzerrten Gesicht ansah, glaubte ich in ihren Augen zu erkennen, dass sie es auch war.
Meine Fänge bohrten sich ohne weitere Umschweife in ihre Haut. Ein kaum hörbares Stöhnen kroch über Lizs Lippen. Und dann kostete ich ihr Blut. Zuerst war es ein wenig bitter, ich schmeckte deutlich die starken Medikamente heraus, aber es störte mich nicht. Es ging hier nicht um meinen Blutdurst, sondern darum endlich meinen Engel zu meinesgleichen zu machen. Ich strich ihr durchs Haar, hielt sie behutsam in meinen Armen, während ich ihr groteskerweise das Leben aussaugte. Ich versuchte alles weitere um uns herum auszublenden, mich nur auf Lesley zu konzentrieren. Und auf einmal veränderte sich der Geschmack und eine samtige Süße breitete sich auf meiner Zunge aus. Sie kroch meinen Rachen hinab und ob ich wollte oder nicht, es war geradezu elektrisierend. Meine Hände legten sich enger um Lizs Schultern, mein Mund presste sich fester auf ihren Hals. Ein weiteres Stöhnen, entrann ihrer Kehle. Kurz darauf wurde es dann zu einem Keuchen. Der schnelle Puls legte sich allmählich und auch ihr Herzschlag wurde rasch träger.
„Nicholas…“ Ihre Stimme war leise und voller Erschöpfung.
Ja, dachte ich, genau so musste es sein. Ein weiterer tiefer Schluck aus ihrer Halsschlagader flutete meinen Mund. Von nun an gab es nichts mehr, das mich aufhalten konnte. Mein gesamter Körper spannte sich an, bis in den kleinsten Muskel spürte ich die Kraft des menschlichen Lebenssaftes, der mich mit noch mehr Energie versorgte als es nötig gewesen wäre. Es erreichte jeden noch so winzigen Nerv in meinem Innersten. Und ich lechzte bloß nach mehr. Lesleys Herz hatte mittlerweile deutlich weniger Blut durch den Körper zu pumpen und es hatte schon jetzt große Probleme, denn es war schwach geworden. Der Krebs hatte es bereits so lange gefordert und heute war ich die letzte Instanz seines Daseins. Die Schläge wurden noch langsamer, sie dehnten sich aus und jenes Geräusch rauschte in meinen Ohren wider, wie eine Melodie des Todes. Niemals zuvor fühlte ich mich so aufgeputscht, selbst Vincents Blut hatte mich nicht derart aus der Fassung gebracht, zumindest erschien es mir jetzt so. Ich wusste, dass ich bald aufhören sollte zu trinken. Obwohl ich noch nie einen Menschen verwandelt hatte, war mir klar, wann der Zeitpunkt kommen würde, an dem ich mich stoppen musste, ehe mich das Verderben einholen konnte.
„Nicht-“, Blut füllte plötzlich ihren Mund und mein Engel hatte nicht mehr die Kraft, zu sprechen, geschweige denn zu reagieren. Ihre Augenlider flatterten, sie schienen immer schwerer zu werden, bis sie ihr schlussendlich zufielen. Einen Moment später rutschten ihre Arme schlaff zur Seite. Ich hörte noch einmal das letzte Aufbäumen ihres Herzens, das von Anfang an keine Chance gegen die Gier eines Vampirs gehabt hatte. Es war endlich soweit. Der Punkt war gekommen.
Ein allerletzter Schluck, dann musste ich meine Lippen von ihrem zerbrechlichen Hals lösen. Meine innere Stimme schrie gequält auf. Und ich fragte mich, wieso es auf einmal so verdammt schwer war, aufzuhören…
Abschied einer Sterblichen
Lesley lag in dem riesigen Bett. Ihr zarter Körper war wieder in feine Seide gehüllt, die sie am Abend zuvor nur für mich angezogen hatte. Auf ihrem Gesicht lag jetzt ein entspannter Ausdruck, denn inzwischen war all´ der Schmerz und das unsägliche Leid aus ihrem Körper gewichen. Ich strich behutsam über ihre entblößten Schultern, über die samtige Haut, die bisher immer so warm gewesen war. Jetzt fühlte sie sich nur noch kalt an. Lizs Glieder waren erstarrt, leblos, genauso wie meine eigenen. Ihr gesamter Lebensfunke war inzwischen erloschen und ich lauschte auf die Stille ihres Herzens, das den Kampf gegen den Tod schlussendlich verloren hatte. Es würde nun unwiderruflich schweigen. Es gab kein Zurück mehr. Meine Finger glitten langsam ihren Hals hinauf, bis sie die weiche Wange streiften, die einmal so rosig gewesen war und die jetzt beinahe so blass wie meine eigenen war. Dunkles Rot traf auf fahles Weiß. Ich bemerkte viel zu spät, dass ich ihr makelloses Antlitz mit meinen Fingern beschmutzt hatte. Es klebte Blut an meinen Händen und es war ihres. Die kostbare Sterblichkeit war aus ihren Adern gewichen, weil ich sie vollends in
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