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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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begleiten.«
    »Das könnte mir fehlen, daß ich den weiten Weg zu Fuße gehe.«
    In diesem Augenblick fuhr unten auf der Landstraße ein Wagen vorüber. Dionysia rief laut und winkte mit der Hand. Aber der Kutscher kümmerte sich nicht darum, hieb auf die Pferde ein und trieb sie vorwärts. Dionysia rief noch lauter. Da neigte sich jemand aus dem Wagenfenster und wandte sich nach der Richtung, aus der die Stimme tönte. Als er der schönen Frau gewahr wurde, befahl er dem Kutscher zu halten, stieg aus dem Wagen und ging Dionysia entgegen, die die Wiese heruntereilte.
    »Was willst du?« fragte er. »Warum hast du gewinkt und gerufen?«
    »Ich bitte dich,« erwiderte Dionysia, »gönne mir einen Platz in deinem Wagen und führe mich in meine Heimat.« Und sie nannte ihm den Ort, wo das Haus ihres Gatten stand.
    »Gern will ich deinen Wunsch erfüllen, wunderschöne Frau,« erwiderte der Fremde, »aber es ist weit in deine Heimat, und da ich eben erst von einer Reise heimkehre, muß ich auf einen Tag nach Hause, um nach meinen Geschäften zu sehen. Doch sollst du mir in meinen Räumen willkommen sein, und ehe du dich auf die Heimreise begibst, dürfte ein Tag und eine Nacht der Ruhe dich wohl erquicken.«
    Dionysia war es zufrieden, der Reisende öffnete höflich den Wagenschlag, ließ die junge Frau einsteigen, die sich in die Ecke lehnte, ohne sich noch einmal umzuwenden und nahm an ihrer Seite Platz. Die Kutsche setzte sich in Bewegung. Sie fuhr zuerst auf der Landstraße zwischen grünem Gelände, dann zwischen kleinen wohlgehaltenen Häusern weiter.
    »Wo sind wir?« fragte Dionysia.
    »Was du hier siehst,« erwiderte der Fremde, »ist alles mein. Ich baue Maschinen für das ganze Land, und in den Dörfern, durch die wir fahren, wohnen die Arbeitsleute, die mir dienen.« Während er diese Worte sprach, betrachtete Dionysia ihn aufmerksamer, und sie sah, daß seine schmalen Lippen von verhaltener Kraft schwollen und seine hellen Augen stolz und wie unerbittlich vor sich hinblickten.
    Mit Anbruch der Nacht hielt die Kutsche vor einem schloßartigen Gebäude. Das Tor öffnete sich. Eine marmorweiße Halle strahlte von vielen Lichtern wider. Auf den Ruf ihres Herrn erschien das Mädchen, geleitete Dionysia in ein behaglich ausgestattetes Gemach, war ihr beim Auskleiden behilflich und wies ihr dann den anstoßenden kristallblauen Raum, wo ein Bad bereitet war, in dessen laue Fluten Dionysia mit Behagen tauchte. Nachher erschien das Mädchen wieder und fragte Dionysia, ob sie allein oder in Gesellschaft des Herrn zu speisen wünsche. Dionysia erklärte, heute für sich bleiben zu wollen, denn schon wußte sie, daß sie lange genug hier verweilen würde, um ihren Gastgeber so nahe kennen zu lernen, als es sie gelüstete. –

III

    Es war Herbst gewesen, da Dionysia in das Schloß gekommen war; das Frühjahr nahte, und noch weilte sie, doch längst nicht mehr als Gast, sondern als Gefährtin des Hausherrn, und als Herrin des Hauses. Von ihrem Balkon aus war der Blick frei auf weites hügeliges Land. Aus fernen Talmulden ragten Schlote auf, der Wind brachte das Geräusch von Räderschnurren und Hämmerschlag, und an dunklen Abenden verglühten über den Rauchfängen hastige Funken in den Lüften. Nah ans Schloß gerückt, eng aneinander gedrängt und von ärmlichen Gärtchen umgeben, standen Wohnhäuser in langen Reihen, aber ein dichter Wald hielt auch die nächsten vom Schlosse ab. Hinter den letzten Maschinenhäusern strebte Ackerland hügelaufwärts und senkte sich wieder nach unsichtbaren Ebenen, doch verrieten ferne Rauchsäulen, daß auch jenseits der Hügel ein Bezirk der Arbeit sich dehnte. Das Schloß selbst stand in einem Park, der sich so weithin streckte, daß Dionysia, die sich täglich darin zu ergehen pflegte, noch in den letzten Wintertagen ihr unbekannt gebliebene Stellen entdeckte. Zuweilen um die Mittagsstunde oder des Abends begleitete sie auf ihren Spaziergängen der Gutsherr, und sie erfuhr von ihm, daß noch vor kaum zwei Jahrzehnten dieser Park eine Art von Urwald gewesen, daß an der Stelle des Schlosses ein kleines Haus gestanden und daß unten, wo jetzt hundert Schlote rauchten, unter Bauernhütten eine einzige arme Schmiede Arbeit verrichtet hatte. Aber alles, was seither ringsum entstanden war, sollte nicht mehr zu bedeuten haben als den Anfang größeren Werkes. Schon rührte es sich an den Gemarken des freien Hügellandes, sumpfige Stellen wurden trocken gelegt, Bächen wurde durch Wehr

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