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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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und Damm Widerstand und neue Kraft gegeben, Wälder wurden ausgeholzt, im nächsten Sommer sollte eine Riesenhalle fertig stehen, um die Modelle aller Maschinen aufzubewahren, die jemals von hier in die Welt gegangen waren und noch gehen sollten.
    Oft erschienen Gäste auf dem Schloß; Erfinder, Baumeister, Abgesandte des Fürsten, Bevollmächtigte fremder Staaten. Einige schieden befriedigt und leichtgemut, andere unlustig und betroffen. Des Gutsherrn Wort aber schien stets von gleichem Ernst und Gewicht, und immer fühlte Dionysia, daß keiner der Gäste einen Vorteil über ihn zu gewinnen vermocht hatte, daß er klüger und stärker gewesen war als die andern alle.
    Manchmal durfte sie selbst an seiner Seite zwischen glühenden Hämmern und schnurrenden Rädern, schlürfenden Seilen und brausenden Röhren einhergehen. Auch die Kanzleiräume blieben ihr nicht fremd, wo Zeichnungen und Entwürfe auflagen, Briefe empfangen und abgesandt und die Bücher des Hauses geführt wurden. Mit jedem Schreiber und jedem Arbeiter schien der Gutsherr sich zu beraten, überall war er Lehrer und Lernender zugleich; aber aus welcher Türe er auch trat, stets wußte er sicherer Bescheid darüber, was in dem eben verlassenen Raum gedacht und geschaffen wurde, als diejenigen, die ihre ganzen Tage dort verbrachten. An manchen Abenden ließen Künstler des Gesangs und verschiedener Instrumente sich hören, ja eine vorzügliche Schauspielgesellschaft gab etliche Male im Schloß ihre Vorstellungen, zu der aus der Umgebung und auch aus dem weiteren Umkreis sich Zuschauer einfanden. So war dafür gesorgt, daß keine Stunde für Dionysia auch nur von der Ahnung einer möglichen Leere durchweht war, und doch blieb ihr das Recht der Einsamkeit durchaus gewahrt. Der Gutsherr selbst versäumte es nie anzufragen, ob seine Gesellschaft erwünscht sei, und wenn es Dionysia gefiel, sich allein auf Spaziergänge zu begeben, so bedurfte es nur eines Winks, um jede Begleitung von ihrer Seite zu weisen.
    Einmal zu Sommerbeginn, als sie durch ein Dörfchen spazierte, das, wiewohl drei Stunden entfernt, noch immer den Ländereien des Gutsherrn zugerechnet wurde, lief ihr ein blasses kleines Mädchen entgegen und flehte mit ausgestreckten Händen um einen Bissen Brot. Dionysia, befremdet, schüttelte den Kopf und war geneigt, das Kind für ein vorlaut bettelhaftes Geschöpf anzusehen, an denen es am Ende auch hier nicht mangeln mochte; da machte ein traurig ängstlicher Blick aus den Augen des Mädchens sie nachdenklich, und sie beschloß im Hause selbst Nachschau zu halten. Eine nicht mehr junge Frau stand im Vorraum, ein Kind auf dem Arm, zwei andere spielten auf dem Fußboden mit Holzstückchen und Obstkernen. Auf Dionysias Frage erwiderte die Frau, daß jene bettelnde Kleine heute nichts anderes genossen hätte, als ein halbes Gläschen Milch; ohne weitere Fragen abzuwarten, ließ sie ihren Klagen freien Lauf, und so erfuhr Dionysia, daß hier im Ort zumindest innerhalb der mit Kindern gesegneten Familien Mangel und Sorge zu Hause wären. Dionysia, höchst betroffen, ließ all ihr Geld zurück und eilte nach Hause, um den Geliebten von diesen Zuständen in Kenntnis zu setzen, an denen ihrer Überzeugung nach nur Untreue und böser Wille untergeordneter Beamten Schuld tragen konnten. Der Gutsherr klärte sie auf, daß selbst innerhalb der einfachsten, scheinbar gleichmäßigsten Verhältnisse das Schicksal der einzelnen je nach persönlichen Eigenschaften und allerlei Zufälligkeiten sich höchst verschieden zu gestalten pflegte, und riet ihr, sich um dergleichen Dinge fernerhin nicht zu kümmern. Sie erklärte sich außerstande diesem Rat zu folgen, vielmehr erbat sie die Erlaubnis, auf ihre Art und soweit ihre Kräfte reichten, die Mißstände, unter denen ja nicht die Schuldigen allein litten, aufheben oder wenigstens verbessern zu dürfen. Der Gutsherr hatte nichts dagegen, daß sie die Summen, die ihr reichlich zur Verfügung standen, nach Gutdünken verwendete, und erhob auch keinerlei Einspruch gegen die Nachforschungen und Wanderungen, die sie schon vom nächsten Tage an zu unternehmen begann. Bald gewahrte sie, daß mehr zu helfen not tat, als sie je geahnt hätte und daß auch dort, wo die Gegenwart keine Sorgen zu bergen schien, eine düstere und Ungewisse Zukunft herandrohte. Wo aber die Leute sich leidlich benagten, dort war es gerade die unbewußte Hoffnungslosigkeit ihres Daseins, die Dionysia mit Verwunderung und Kummer erfüllte. Es kam

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