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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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reitender Bote mit der Kunde, daß an der Landesgrenze eine längst erwartete Bewegung des Nachbarheeres immer drohender sich ankündigte, und wies einen Befehl vor, demgemäß der Graf sich innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden an die Spitze seines Regiments zu stellen hätte. Sobald der Bote wieder davon gesprengt war, erklärte Dionysia dem Geliebten, daß sie in keinem Fall von seiner Seite weichen werde und unwiderruflich gesonnen sei, in Männerkleidung mit ihm in den Krieg zu ziehen. Der junge Graf, ergriffen und beglückt, versuchte Dionysia zuerst die Unmöglichkeit eines solchen Beginnens vor Augen zu stellen; doch als sie ihm zuschwor, daß sie schlimmstenfalls auch gegen seinen Willen, ja im Troß des Heeres ihm und seinem Schicksal zu folgen entschlossen sei, verließ er noch am gleichen Tage mit ihr das Jagdhaus, begab sich mit ihr in die Stadt, erbat eine Audienz beim Fürsten und trug diesem, ihm seit jeher wohlgewogenen Herrn ehrerbietig den Fall zur Entscheidung vor. Der Fürst, selbst einer jungen und edlen Frau vermählt, seinem Wesen nach so leicht erzürnt als begeistert und von jeder Art von Seltsamkeit rasch gefangen, fand in so unruhigen Zeitläuften gegen die Ausführung eines wohl abenteuerlichen, doch heldenhaften Planes nichts einzuwenden, und so geschah es, daß am nächsten Morgen Dionysia in kriegerischer Gewandung, aber nicht unerkannt, vielmehr mit Hochachtung und Teilnahme angesehen, an ihres Geliebten Seite aus dem Tor der Stadt durch das aufgeregte Land an die Grenze und dort früher als sie geahnt mitten in ein Gefecht sprengte, das, von ihren Sinnen kaum begriffen, wie eine zerrissene rote Wolke um ihre weiße Stirn und ihren leuchtenden Degen trieb.
    Der Krieg nahm seinen blutig-wechselvollen Gang. Dionysia zog an ihres Geliebten Seite weiter in die feindlichen Gauen, ruhte auf verwüsteter und verbrannter Erde, wurde von Trompeten in die Schlacht gerufen, sah Getroffene neben sich zu Boden sinken und lag selbst mit einer Schläfenwunde durch manche Tage und Nächte unter Stöhnenden und Sterbenden in einem wankenden Barackenbau. Sie genas; fand den Geliebten, von dem sie ohne jede Nachricht geblieben war, am Vorabend eines entscheidungsvollen Tags, mit kaum verheilten Wunden gleich ihr, doch schon zu neuen Wagnissen gerüstet, an der Spitze seiner zusammengeschmolzenen Truppen wieder, ritt im Morgengrauen an seiner Seite ins feindliche Gewühl, hatte gleichen Anteil mit ihm an Gefahr und Ehre und trug eine mit ihm gemeinsam erbeutete Fahne in das siegreiche Lager heim. In der Nacht, die diesem Tage folgte und die dunkel und schwül war unter der doppelten Finsternis eines Sternenlosen Himmels und eines faltenschweren Zelts, schlief Dionysia zum ersten Male wieder seit Beginn des Kriegs an der Seite des jungen Grafen als sein Weib; am Morgen aber traten sie beide als Kampfgefährten ins Freie, begrüßt von den siegesfrohen Stimmen ihrer Kameraden. Beruhigter Sonnenglanz lag über der Ebene, und draußen im Feld, inmitten wehender Helmbusche und funkelnder Degenspitzen, ahnte man des Fürsten leuchtende Nähe. Da mit einem Male statt der erwarteten Friedensbotschaft tönten die wohlbekannten Zeichen nahenden Angriffs. Hinter einem geringen Hügel stiegen Staubwolken auf, rückten näher, Hörner und Pfeifen klangen, und auf schwarzen Rossen stürmte eine Schar toller Reiter heran. Die so unvermutet Angegriffenen waren rasch zu heftiger Verteidigung bereit, doch zeigte sich bald, daß ihnen nur ein kleiner Trupp tollkühner Jünglinge entgegenstand, entschlossen, statt einen schimpflichen Frieden anzunehmen, ein letztes Mal für ungeheuren Gewinn ihr Leben einzusetzen. Doch da ihre Genossen hinter ihnen zögerten, waren sie nach kurzer Frist umzingelt und bis auf den letzten Mann niedergehauen. Aber nicht wohlfeil hatten sie ihr Dasein dahingegeben: unter denjenigen, die ihr verzweifelter Ansturm zu Boden geworfen hatte, lag auch der junge Graf. Dionysia bettete sein wundes Haupt auf ihre Knie; und während sein letztes Blut über ihre regungslosen Finger floß, winkten die weißen Fahnen rings auf den Höhen, Trompetenstöße kündeten die Einstellung der Feindseligkeiten, und als des Geliebten Augen brachen, schallte an Dionysias Ohr die jauchzende Kunde des endlich errungenen Friedens. In ihrer Nähe aber dämpfte auch der lauteste und froheste Jubel sich ab. Immer weiter von ihr wich der Kreis der Frohen und Glücklichen. Selbst der Fürst, der zur Mittagszeit

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