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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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zu einer Zeit, da die Fürstin selbst noch fern davon war, ihres Gatten Beziehungen zu der fremden Frau für andere als freundschaftliche anzusehen. Doch als jener die Wahrheit kund ward, schloß sie sich ohne ein Wort der Aussprache, im Innersten getroffen, von ihrem Gatten ab, der von nun ab wie mit Absicht und Stolz seine Liebe zu Dionysia vor allem Volk zur Schau zu tragen begann. Er ließ es nicht länger zu, daß sie in ihrem von dem Grafen ererbten Schlosse wohnte, und räumte ihr eine der fürstlichen Besitzungen nahe der Stadt als Wohnsitz ein. Nicht nur die Stunden der Muße weihte er von nun ab der Geliebten; in ihren Gemächern empfing er Minister und Abgesandte; Beratungen über Staat und Volk wurden in Dionysias Beisein abgehalten, und bald sprach ihre Stimme in jeder Entscheidung mit. Da nun alle, die dem Throne nahestanden, sich vor ihr neigten und ohne weiteres, was der Fürst ihr als Einfluß zugestanden, anzuerkennen bereit waren, so hätte sie wohl vor sich selbst als die wahre Fürstin des Landes gelten dürfen, – wenn sie nicht manchmal bei Ausfahrten und öfter von Tag zu Tag bemerkt hätte, daß Begegnende sie nicht zu beachten, ja sich mit Absicht wegzuwenden schienen. Zuerst nahm sie es leicht, lächelte darüber als über Neid und Torheit geringer Seelen, allmählich aber regte sich Ärger in ihr, wuchs weiter an, und eines Tages, da sie an einem jungen Adeligen vorbeiritt, der als Parteigänger der verlassenen Fürstin wohlbekannt, zu ihr, der fürstlichen Geliebten, mit einem höhnischen Zucken der Lippen aufsah, schlug sie ihm mit der Peitsche übers Gesicht. Als er dann in Wut ihr ein ungeheueres Schimpfwort ins Antlitz schrie, ließ sie ihn verhaften, und ihre Fürbitte erst bestimmte den empörten Fürsten, dem unbedachten Beleidiger die Todesstrafe nachzusehen. Doch war seit diesem Zwischenfall der Haß der beiden Parteien, der bisher im stillen gelauert, zu offener und lauter Feindseligkeit gewandelt. Es wurde Dionysia zugetragen, was man im Volk, im Adel und insbesondere in der nächsten Umgebung der Fürstin über sie zu reden wagte. Die noch vor kurzem eine Fremde rätselhafter, doch vielleicht göttlicher Sendung erschienen war, galt heute vielen für nichts besseres als eine Abenteurerin und Dirne. Noch drohte ihr keine ernste Gefahr, denn der Fürst hielt fester zu ihr als je. Ja zum Trotz gegen den wachsenden Widerstand erweiterte er ungebeten Dionysias Machtvollkommenheiten nach allen Seiten, umgab sie mit einer niemals erhörten Pracht, verlieh ihrem fünfjährigen Sohn den Titel eines Prinzen und heftete auf die Rinderbrust einen Orden, der bisher nur Mitgliedern des Fürstenhauses vorbehalten war. Jedes unvorsichtige Wort, jede zweifelhafte Gebärde, die sich gegen Dionysia zu richten schien, wurde mit der furchtbarsten Strenge geahndet. Dionysia selbst war längst nicht mehr geneigt, bei dem Fürsten Gnade zu erflehen für Hohe oder Niedere, die sich gegen den Glauben an ihre Majestät vergangen hatten. Wenn sie durch die Straßen fuhr, in ihrem von sechs schwarzen Rappen gezogenen goldenen Wagen, dem Reiter voran- und nachsprengten, hörte sie aus dem Jubel, der sie begrüßte, die falschen und erzwungenen Töne und fühlte, daß nicht mehr Ehrfurcht, daß nur mehr dumpfe Scheu, daß Angst und Haß rings um sie webten. Böse Träume von Verschwörungen und Anschlägen störten ihren Schlaf, selbst an der Seite des Fürsten, der doch gewillt schien, sie mit seinem eigenen Leib zu schützen. Ein Gerücht begann durch das Schloß zu irren, daß in der nächsten Umgebung der verstoßenen Fürstin sich Unheilvolles gegen Dionysia vorbereite. Niemand wußte, woher es drang, doch Dionysia hielt die Zeit gekommen, entschiedene Abhilfe von ihrem Geliebten zu fordern, und stellte den Zaudernden vor die Wahl: entweder die angetraute Gattin vom Hof zu verbannen und des Landes zu verweisen, oder sie selbst ziehen zu lassen, wann und wohin es ihr beliebte. Da für das Vorhandensein einer Verschwörung sichere Beweise nicht vorlagen, so glaubten Schranzen sich berechtigt, künstlich solche herzustellen. Ein scheinbar ordentliches Gericht wurde abgehalten, die verdächtige Fürstin in ihrer Abwesenheit schuldig erkannt, und es ward ihr anbefohlen, unter Zurücklassung aller ihrer Briefschaften und ihres Geschmeides Hof und Land zu verlassen. Am nächsten Morgen schon, als wäre sie längst darauf gefaßt gewesen, begab sie sich, von wenigen Getreuen begleitet, auf die Reise nach

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