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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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Bonne und Stubenmädchen mit Koffern, Schachteln, Taschen, Schirmen und Stöcken, sowie einem kleinen verängstigten Pinscher, in einem Landauer unterzukommen suchte. Aus einem andern Wagen winkte ihr ein Ehepaar, flüchtig vom vorigen Jahre her bekannt, mit der ganzen ungemessenen Freudigkeit der Sommerlandbegrüßungen zu. Ein junger Herr in lichtgrauem Sommeranzug, eine sehr neue gelbe Ledertasche in der Hand, lüftete vor Beate den Strohhut. Sie erkannte den jungen Mann nicht und grüßte kühl zurück.
    »Küß' die Hand, gnädige Frau«, sagte der Fremde, ließ seine Tasche rasch von der einen in die andere Hand voltigieren und streckte Beate etwas ungeschickt die freigewordene Rechte entgegen.
    »Fritzl!« rief nun Beate, ihn erkennend, aus.
    »Jawohl, gnädige Frau, Fritzl in eigener Person.«
    »Wissen Sie, daß ich Sie wirklich nicht erkannt hab'? Sie sind ja ein ganzes Gigerl geworden.«
    »Na, es wird schon nicht so arg sein«, erwiderte Fritzl und ließ die Tasche wieder in die andere Hand gleiten. »Übrigens, hat denn der Hugo meine Karte nicht gekriegt?«
    »Ihre Karte? Ich weiß nicht. Aber er hat mir neulich gesagt, daß er Ihren Besuch erwartet.«
    »Natürlich, das ist ja schon in Wien besprochen worden, daß ich von Ischl aus auf ein paar Tage herüberkomm'. Aber gestern hab ich ihm noch extra geschrieben, daß ich heute nachmittag meine Ankunft zu feiern gedenke.«
    »Er wird sich jedenfalls riesig freuen. Wo sind Sie denn abgestiegen, Herr Weber?«
    »Aber nein, gnädige Frau, nicht Herr Weber sagen.«
    »Also wo, Herr – Fritz?«
    »In den Posthof hab ich mein Kofferl vorausgeschickt, und sobald ich meinen äußeren Menschen in Ordnung gebracht habe, werde ich so frei sein, in der Villa Beate meine Aufwartung zu machen.«
    »Villa Beate? Gibt's gar keine weit und breit.«
    »Ja, wie heißt sie denn, wenn schon jemand mit einem so schönen Namen drin wohnt?«
    »Sie heißt gar nicht. Solche Sachen mag ich nicht. Eichwiesenweg Numero sieben steht sie; sehen Sie, die dort droben mit dem kleinen grünen Balkon.«
    Fritz Weber blickte andächtig in die bezeichnete Richtung. »Muß eine schöne Aussicht sein! Jetzt will ich aber nicht länger aufhalten. In einer Stunde find' ich doch den Hugo hoffentlich zu Haus?«
    »Ich denk' schon. Jetzt ist er noch oben im Wald und studiert.«
    »Studieren tut er? Das muß man ihm aber schleunigst abgewöhnen.«
    »Oho!«
    »Ich will nämlich Touren mit ihm machen. Wissen gnädige Frau schon, daß ich neulich auf dem Dachstein war?«
    »Leider nein, Herr Weber, es ist nämlich nicht in der Zeitung gestanden.«
    »Aber ich bitt' schön, gnädige Frau, nicht
Herr Weber.
«
    »Ich glaub' doch, daß wir dabei werden bleiben müssen, da ich weder die Ehre habe, Ihre Tante noch Ihre Gouvernante zu sein ...«
    »So eine Tante möcht' man sich schon gefallen lassen.«
    »Also, galant ist er auch schon – nein, so was!« Sie lachte laut auf: statt des eleganten jungen Herrn stand plötzlich der Bub vor ihr, den sie schon seit seinem zwölften Jahre kannte, und der kleine blonde Schnurrbart sah aus, als wenn er angeklebt wäre. »Also auf Wiedersehen, Fritzl«, sagte sie und streckte ihm zum Abschied die Hand entgegen. »Heut' abend beim Nachtmahl berichten Sie uns näheres von Ihrer Dachsteinpartie, nicht wahr?«
    Fritz verbeugte sich etwas steif, dann küßte er Beatens Hand, was sie sich wie mit Ergebung in den raschen Lauf der Jahre gefallen ließ; endlich entfernte er sich mit gehobenem Selbstgefühl, das in seiner Haltung und seinem Gang zum Ausdruck kam. Und das, dachte Beate, ist nun ein Freund von meinem Hugo. Freilich, etwas älter als der, um eineinhalb oder zwei Jahre gewiß. Er war ja früher auch in einer höheren Klasse gewesen, Beate erinnerte sich, nur hatte er einmal repetieren müssen. Jedenfalls freute sie sich, daß er da war und mit Hugo Touren zu machen gedachte. Wenn sie die beiden Buben doch gleich auf eine acht-oder vierzehntägige Fußpartie schicken könnte! So zehn Stunden Marsch, sich den Bergwind um die Stirne blasen lassen, abends müd' aufs Stroh hinsinken und früh mit der Sonne wieder auf die Wanderschaft – wie schön und wie heilsam wäre das! Sie verspürte nicht übel Lust, selbst mitzuhalten. Aber das ging kaum an. Auf eine Tante oder Gouvernante verzichteten die Buben gewiß gern. Sie seufzte leise und strich sich mit der Hand über die Stirne.
    Auf der Landstraße, dem See entlang, spazierte sie weiter. Vom Landungssteg war

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