Es blieb nur ein rotes Segel
Kristallkaraffen Süßweine, Liköre und Kognak standen. Er goß für sich und Matilda einen Portwein ein und brachte ihn ihr.
Die Bondarewa raufte sich die Haare.
»Kaviar und Champagner! Ja, so fängt es immer an! Das ist die feine Art, vom Magen her ein Mädchen zu erobern! – Boris, bekomme ich kein Glas?«
»Ich kann nur zwei tragen, Mütterchen.« Boris stellte sich zwischen Matilda und Rosalia Antonowna. »Der Zarewitsch hat mit Matilda gegessen, – sonst nichts!« sagte er hart.
»Nichts, warst du dabei?«
»Im Nebenzimmer.«
»Hat die Wand ein großes Loch?«
»Es wäre besser, Mütterchen, du legtest dich hin. Es ist schon spät …«
»Ha! Entfernen will man mich! Hört alle zu: Man will mich entfernen! Man will mich von der Wahrheit wegdrängen, mich, eine zitternde Mutter! Kaviar und Champagner, und dann nichts hinterher? Nur essen und reden? Wer glaubt denn das? Und wenn es wahr ist: O Himmel, gibt es denn keine Männer mehr? Da warte ich hier, renne mit zerrauften Haaren herum, knie in der Kapelle und bete um das Seelenheil, stehe am Fenster und warte auf den Schlitten, und da kommen sie endlich, mein Mutterherz zerreißt, meine Seele brennt, und ich denke: Jetzt wirst du es erfahren! Jetzt gleich! Du bist die heimliche Schwiegermutter des Zarewitsch geworden! Und was bekomme ich zu hören? Es war nichts, trotz Kaviar und Champagner. Oh, ich sterbe! Mein Herz setzt aus! Wie überlebe ich diese Enttäuschung?«
Sie ließ sich in einen großen Sessel fallen, streckte die Beine von sich und ließ sich von Boris den Portwein einflößen, als sei sie gelähmt.
»Er ist ein scheuer Mensch, Mama –«, sagte Matilda nachdenklich. »Ich kann es schwer erklären … Aber wenn ich in seine Augen blicke, werde ich traurig. Und ich spüre, daß er kein glückliches Leben haben wird – später, als Zar. Weißt du, was ich gedacht habe, als er mir erzählte, wie gern er draußen in Zarskoje Selo lebt und allein durch den Park wandert oder irgendwo versteckt in der Sonne sitzt? Gott möge es verhindern, was ich fühle – aber ich habe gedacht, du wirst einmal nicht alt werden, Nikolai Alexandrowitsch …«
»So etwas!« jammerte die Bondarewa. »Nein, solch ein Unglück! Der zukünftige Zar liebt sie, und sie denkt daran, daß er nicht alt wird! Ist das deine Sorge? Boris, wie soll man diesem Kind erklären, daß eine Frau schneller altert als ein Mann, besonders wenn sie eine Geliebte ist?«
»Überhaupt nicht erklären!« antwortete Boris grob. »Der Zarewitsch wird in den nächsten Tagen zu uns kommen –, darauf sollten wir uns einstellen.«
»Hierher?« schrie Rosalia Antonowna. »Ich falle um wie ein gespaltener Klotz, wenn er mir die Hand gibt. Ihr Heiligen, was will er hier?«
»Tee trinken, ein Stück Kuchen essen, plaudern, sich erholen. Vielleicht bringt er auch Freunde mit, es wird gesungen, getrunken und getanzt. Er soll sich hier wohlfühlen …«
»Ausgerechnet bei mir?«
»Bei Matilda! Du wirst ihn kaum zu Gesicht bekommen, Mütterchen!«
»Bin ich ein Scheusal? Muß man mich verstecken und einsperren, wenn ein so hohes Herrchen kommt? Ich sage dir, Boris, ich konnte schon mit Grafen umgehen, da lagst du noch in den Windeln! Sieh her!«
Sie trat zurück und machte einen tiefen, wenn auch mißglückten Hofknicks. Boris sah dieser Verrenkung sprachlos zu. Die Bondarewa richtete sich auf und zog das verrutschte Kleid über den gewaltigen Brüsten zusammen. »Da bist du sprachlos, was?« rief sie. »Das darfst du auch sein. Vor dem Spiegel habe ich das geübt! Mit einer Madame Lapeche, die einen Frackverleih hat und sich in den höchsten Kreisen auskennt! Sie hat selbst schon einmal einen Knicks vor der Zarin machen dürfen!«
Rosalia Antonowna stemmte die Hände in ihre ausladenden Hüften und blickte ihre Tochter triumphierend an. »Ich bin auf alles gewappnet«, fügte sie stolz hinzu. »Laß ihn nur kommen, den Großfürsten-Thronfolger. Ich mache ihm ein Gurkengemüse, daß er am nächsten Tag seinen Leibkoch in den Hintern tritt und rausschmeißt! Nikolai Alexandrowitsch wird vor Vergnügen schmatzen …«
Man sprach noch bis zum Morgengrauen darüber.
Am nächsten Vormittag, gegen zehn Uhr, brachte eine kaiserliche Kutsche vier riesige Blumenkörbe in das Stroitskypalais. Zwei Lakaien des Zarewitsch trugen sie in die Halle und übergaben einen Brief für Demoiselle Matilda Felixowna.
Der Zarewitsch schrieb: »Welch eine Nacht! Ich habe nicht schlafen können. Ich war ganz
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