Es gibt kein nächstes Mal
Boy zu denken, wie er sich eine Marlboro anzündete.
In den meisten ihrer Freundschaften war Gemma
diejenige, die die Probleme anderer in den Griff bekam, doch bei Kathy verhielt
es sich nicht so. Die Dynamik ihrer Freundschaft hatte schon immer darin
bestanden, daß Gemma diejenige war, die Probleme hatte. Kathy war diejenige
gewesen, die sie für sie sortierte. Genau deshalb war ihr diese Beziehung so
kostbar. Gemma wußte nicht, ob es umgekehrt funktionieren würde. Kathy hatte
keine Probleme zu haben. Einen Moment lang stieg fast so etwas wie Gereiztheit
in ihr auf, doch dann blickte sie Kathy ins Gesicht, und sie sah dasselbe
geduldige und vertrauensvolle Gesicht wie immer vor sich, doch jetzt bat dieses
Gesicht sie unverhohlen um Hilfe. Sie riß sich zusammen. »Bist du sicher?«
fragte sie. »Mit wem?«
»Ja, ich bin sicher, und ich weiß nicht, mit
wem. Im Grunde genommen will ich es gar nicht wissen...«, seufzte Kathy. »Und
eigentlich stört es mich nicht einmal so sehr, ich meine, es macht mir nichts
aus, daß er eine andere Frau vögelt. Ich will damit sagen, seit Alexanders
Geburt hatte ich ohnehin keine große Lust mehr auf Sex. In der Hinsicht stellt
es sogar eine gewaltige Erleichterung für mich dar... aber ich habe Angst
davor, daß es mehr sein könnte... ich fürchte mich davor, das Haus zu
verlieren.« Sie fing wieder an zu weinen. »Die Kinder brauchen beide
Elternteile... ich will nicht auf mich allein gestellt sein...«
»Schon gut, schon gut.« Gemma streckte einen Arm
über den Tisch und legte ihre Hand auf Kathys Arm. »Du wirst das Haus schon
nicht verlieren. Sieh mal, ganz gleich, was für ein Schuft Roger auch sein mag,
das täte er dir nicht an. Er liebt die Kinder. Und außerdem ist er...« Sie
suchte nach einer freundlichen Formulierung. »...ist er zu konventionell, um
dich zu verlassen...«
»Glaubst du das wirklich?« Kathy wischte sich
die Augen trocken. »Wie meinst du das?«
Du mußt jetzt behutsam vorgehen, sagte sich
Gemma. »Ich bin sicher, daß er sich mehr als alles andere wünscht, ein
verheirateter Typ mit zwei Kindern zu sein«, erklärte sie.
»So? Du glaubst wohl, er hat nicht genug
Phantasie, um zu gehen?« Kathy lächelte sie durch ihre Tränen an.
»Du sagst es«, erwiderte Gemma widerstrebend.
»O Gem, ich wußte schon immer, daß du ihn nicht
magst... aber mir war nicht klar, wie sehr du ihn nicht leiden kannst!« Kathy
lachte. »Jetzt fühle ich mich doch gleich viel besser. Mein Mann hat eine
Affäre, aber es wird alles gut ausgehen, weil er so verflucht langweilig ist!«
»Liebst du ihn noch?« fragte Gemma. Ihr fiel
keine höflichere Formulierung ein, um Kathy zu fragen, warum sie noch mit ihm
zusammen war.
Kathy sah sie an und seufzte. »Ich erlaube es
mir noch nicht einmal, mir darüber Gedanken zu machen«, erwiderte sie behutsam.
»O Gemma, ich glaube tatsächlich, du bist immer noch der Meinung, es gäbe
nichts Wichtigeres auf Erden als verliebt zu sein... sich von glühender
Leidenschaft überwältigen zu lassen, von einem Mann, der dein Herz im Sturm
erobert. Das ist nicht von Dauer, verstehst du. Worauf es hinausläuft, das ist
nicht Cathy und Heathcliff, die im Hochmoor sitzen, nein, es ist Kathy und
Roger und die Hypothek, auf der sie sitzen — wenn das nicht gut klingt!« Sie
lachte über ihren eigenen Scherz. »Und die Liebe verwandelt sich in eine Art
von Stolz, wenn deine Tochter beim Krippenspiel den Text rausbringt, ohne sich
zu versprechen«, erklärte sie. »Und der Sex wird zu einer Routine, die man
vollzieht, wenn einer nachts schrecklich friert, nachdem er aufgestanden ist,
um Windeln zu wechseln, und sich dann an den anderen kuschelt, um sich wieder
aufzuwärmen...«
»Mein Gott, wenn ich das höre, werde ich direkt
neidisch!« sagte Gemma, doch sie glaubte nicht wirklich daran. Diese Gefühle
hatten schon verschiedene Menschen in ihrem Bekanntenkreis, die Kinder hatten,
artikuliert. Aber es mußte doch nicht unbedingt so weit kommen?
»Und weißt du, weshalb wir alle darauf
reinfallen? Ist dir überhaupt klar, was jedem von uns das Gefühl gibt, uns von
allen anderen zu unterscheiden? Es ist unser Glaube, wir hätten die Liebe
entdeckt und uns würde all das zum ersten Mal passieren, stimmt’s, Gem?«
Daisy riß ein Stück von der Pizza ab, die kalt
war und die Konsistenz von Gummi hatte. Sie nahm das Stück mit in die Küche,
stellte es eine Minute lang in die Mikrowelle und holte es dann wieder raus.
Jetzt war es
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