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Es ist nicht alles Gold was glänzt

Titel: Es ist nicht alles Gold was glänzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Archer
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den Anschein gab, und gelangte widerwillig zu dem – falschen – Schluß, daß dies tatsächlich der Fall sei. Seine Augen glitten abwärts zu der sanften Rundung ihres Busens, der sich unter dem Angorapullover abzeichnete. Er reckte seinen Hals etwas, um die Beschaffenheit der Beine des Spiegelbildes begutachten zu können. Verdammt, sie trug Stiefel. Sein Blick wanderte zurück zu ihrem Gesicht: ihre Augen waren nun leicht amüsiert auf ihn gerichtet. Verlegen wandte er seine Aufmerksamkeit der dritten Person im Abteil zu, der inoffiziellen Anstandsdame, in deren Gegenwart James nicht den Mut aufbrachte, das Mädchen in ein Gespräch zu ziehen.
    Plötzlich kam ihm zum Bewußtsein, daß das Fotomodell auf der Titelseite der ›Vogue‹, in der die Dame las, das genaue Ebenbild seines Gegenübers war. Zunächst wagte er seinen Augen kaum zu trauen; aber ein rascher Vergleich mit dem lebenden Original beseitigte alle Zweifel. Sobald ›Vogue‹ zugunsten von ›Queen‹ beiseite gelegt worden war, beugte sich James vor und fragte die Anstandsdame, ob er sich die Zeitschrift anschauen dürfe.
    »Ich habe meine Aktentasche versehentlich im Bahnhof liegen lassen«, sagte er und ärgerte sich sogleich über diese primitive Ausrede. »Und nun würde ich mir ganz gern etwas die Zeit vertreiben.«
    Er blätterte um zur zweiten Seite – ›Titelbild: Versuchen Sie, sich in dieser Aufmachung zu sehen … schwarzes Seidengeorgette-Kleid mit Chiffon-Spitzen, Straußenfeder-Boa, zum Kleid passender Turban mit Blume. Modelle: Zandra Rhodes. Annes Frisur: Jason von Vidal Sassoon. Foto: Lichfield. Kamera: Hasselblad.‹
    Es gelang James beim besten Willen nicht, sich in dieser Aufmachung zu sehen. Aber wenigstens kannte er jetzt den Namen der Schönheit: Anne. Als das lebende Original wieder einmal aufblickte, gab er ihm durch Zeichensprache zu verstehen, daß er das Foto gesehen hätte. Sie schenkte James ein kurzes Lächeln und widmete sich erneut der ›Akte Odessa‹.
    In Reading stieg die Dame mittleren Alters aus und nahm die ›Vogue‹ mit. Könnte gar nicht besser laufen, dachte James versonnen. Anne sah leicht verwirrt hoch und lächelte die wenigen auf dem Gang Vorübergehenden, die nach einem freien Platz Ausschau hielten, hoffnungsvoll an, während James ihnen böse Blicke zuwarf. Niemand betrat das Abteil – James hatte die erste Runde gewonnen. Als die Fahrtgeschwindigkeit zunahm, probierte er einen Eröffnungszug, der – gemessen an seinen üblichen Ouvertüren – gar nicht so schlecht war.
    »Phantastisches Titelfoto, das mein alter Freund Patrick Lichfield da für ›Vogue‹ gemacht hat.«
    Anne Summerton blickte auf. Sie war noch schöner als das Bild, auf das James angespielt hatte. Ihr dunkles, im neuesten Vidal-Sassoon-Stil geschnittenes Haar, ihre großen haselnußbraunen Augen und ihre klare Haut verliehen ihr ein liebenswürdig-vornehmes Aussehen, das James einfach unwiderstehlich fand. Sie hatte den schlanken, grazilen Körper, den alle Topmodelle haben müssen, wenn sie erfolgreich sein wollen; Anne verfügte jedoch über eine persönliche Ausstrahlung, die die meisten von ihnen niemals besitzen würden. James war überwältigt und wünschte, sie würde etwas sagen.
    Natürlich hatte sich Anne daran gewöhnt, daß Männer versuchten, ihr Avancen zu machen; aber sie war doch etwas verblüfft über die Erwähnung Lord Lichfields. Falls die beiden tatsächlich befreundet waren, wäre es etwas unpassend, wenn sie sich nicht zumindest höflich zeigte. Auf den zweiten Blick fand sie James' Schüchternheit recht charmant. Er hatte diesen Annäherungsversuch durch Selbstherabsetzung schon zahllose Male mit großem Erfolg praktiziert, aber dieses Mal war er absolut ehrlich. Er versuchte es noch einmal.
    »Es ist bestimmt ein höllisch anstrengender Beruf, Modell zu sein.«
    Was für eine saudumme Bemerkung, dachte er. Warum konnte er nicht frei heraus zu ihr sagen: »Ich finde Sie einfach phantastisch! Vielleicht könnten wir uns ein wenig unterhalten, und wenn ich Sie dann immer noch phantastisch finde, wäre das doch vielleicht ein Ausgangspunkt für uns beide.« Aber das ging nun einmal nicht, und so würde er wieder nach seiner üblichen Routine verfahren müssen.
    »Ach, wenn man gute Verträge bekommt, macht es eigentlich Spaß«, erwiderte sie. »Der heutige Tag war allerdings besonders strapaziös.« Sie hatte eine sanfte Stimme, und ihr leicht amerikanischer Akzent wirkte anziehend auf

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