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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Achazian los. Am 16. sollte er zurück sein. Das war der Tag, an dem die Bundesrepublik 1 Milliarde D-Mark Kredit von den Vereinigten Staaten erhielt.
    Herr Reuben Achazian kam nicht zurück an diesem historischen Tag des deutschen Wiederaufbaus. Herr Reuben Achazian kam überhaupt nicht mehr zurück …
    Am 28. Dezember wurde der Bankier Walter Pretorius in Hamburg von Beamten der deutschen Kriminalpolizei verhaftet. Zur selben Stunde verhafteten Beamte der Schweizer Bundespolizei Thomas Lieven in seiner Zürcher Mietwohnung. Sie handelten auf Grund eines dringenden Fahndungsschreibens der »Interpol« und des »Deutschen Bundeskriminalamtes« in Wiesbaden. Den Herren Lieven und Pretorius wurde vorgeworfen, eine gewaltige Sperrmarkschiebung getätigt zu haben.
    »Wer wirft mir das vor?« fragte Thomas Lieven die Schweizer Kriminalbeamten.
    »Ein gewisser Reuben Achazian hat Anzeige gegen Sie erstattet und den deutschen Behörden zahlreiche Belastungsdokumente zur Verfügung gestellt. Er ist übrigens inzwischen verschwunden.«
    Und meine 2,3 Millionen D-Mark sind im Eimer, dachte Thomas Lieven. Hm, hm. Nun habe ich also zuletzt
doch
noch einen Fehler gemacht. Dabei war dieser Reuben Achazian so ein netter Armenier …
    20
    Beinahe ein ganzes Jahr saß Thomas Lieven in Untersuchungshaft – ein wüstes Jahr, das den heißesten Sommer seit hundert Jahren, die Aufhebung der Lebensmittelrationierung und, am 28. Juni, den Ausbruch des Koreakrieges brachte, der eine monatelange Hamsterpsychose in ganz Europa zur Folge hatte.
    Am 19. November 1950 verurteilte die Zweite Große Strafkammer des Landgerichts Frankfurt Thomas Lieven zu einer Strafe von dreieinhalb Jahren Gefängnis. In der mündlichen Urteilsbegründung führte der Richter aus: Im Fall des Angeklagten Lieven anerkenne man dessen Offenheit und aufrechte Haltung. Das Gericht hätte den Eindruck gewonnen, daß ungeklärte, wahrscheinlich nur psychologisch verständliche Motive den Angeklagten zu seinem verwerflichen Tun getrieben hätten. Wörtlich erklärte der Richter: »Dieser hochintelligente, äußerst gebildete Mann ist nicht der übliche Typ eines Verbrechers …«
    Für den zweiten Angeklagten, den Hamburger Bankier Walter Pretorius, fand der Richter keine derart milden Worte. Er erhielt vier Jahre Gefängnis. Seine Bank mußte den Konkurs anmelden. Eine weitere Ausübung seines Berufes verhinderte für alle Zeit die »deutsche Bankenaufsicht«, die den Namen Walter Pretorius in der Kartei der seriösen Bankiers löschte.
    Zweierlei machte den Frankfurter Prozeß pikant. Obwohl die Angeklagten einander, wie wir wissen, intim kannten, gaben sie eine solche Bekanntschaft vor Gericht mit keinem Wort, mit keiner Geste zu erkennen.
    Die zweite Pikanterie bestand darin, daß der Vorsitzende bereits am ersten Verhandlungstag die Öffentlichkeit ausschloß, und zwar nachdem der Angeklagte Lieven angekündigt hatte, im Detail den Trick erklären zu wollen, mit dem er die Sperrmark freibekommen hatte. Solcherart war eine ausführliche Berichterstattung über den Prozeß gegen Lieven und Pretorius unmöglich. Die Publicity, die Thomas, verschiedener internationaler Geheimdienste wegen, gefürchtet hatte, blieb ihm erspart.
    In einem gewissen Sinn hatte er sein Ziel erreicht: Walter Pretorius, alias Robert E. Marlock, war ruiniert für alle Zeit. Bleich und bebend, ein nervöses Wrack, so stellte er sich dem Gericht.
    Nicht ein einziges Wort sprachen die beiden Angeklagten während des Prozesses miteinander. Das Urteil nahmen sie beide schweigend auf. Thomas Lieven blickte danach lächelnd zu seinem ehemaligen Kompagnon hinüber. Und vor diesem Lächeln mußte Robert E. Marlock sich abwenden, denn er ertrug es nicht …
     
    Marlock kam in die Strafanstalt Frankfurt-Hammelgasse. Thomas Lieven schaffte es, in die Haftanstalt Düsseldorf-Derendorf verlegt zu werden. Dafür, daß es ihm im Gefängnis wohl erging und er keinen Mangel an irdischen Gütern litt, sorgte sein Freund Bastian – nun wohnhaft Düsseldorf, Cecilien-Allee – mit großen Paketen. Als Thomas sich
allzusehr
zu langweilen begann, stellte er ein Lexikon der Gaunersprache zusammen. Aus diesem Lexikon präsentieren wir hier einer möglicherweise interessierten Öffentlichkeit aus Tausenden von Worten dieses Alphabet zur Kostprobe:
    ABKLINGER : ein Mann, der bei einem geplanten Wohnungseinbruch festzustellen hat, ob der Wohnungsinhaber daheim ist. Zu diesem Behufe betätigt er die

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