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Expedition Mikro

Expedition Mikro

Titel: Expedition Mikro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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erweisen würden, obwohl ihnen heute die an seine These geknüpften Bedenken offenbar tüchtig in den Gliedern saßen.
    Die Kollegen im Iglu teilten im Telegrammstil mit – ohne dabei den Bildschirm aus den Augen zu lassen –, es handele sich wahrscheinlich um eine Patrouille der Kleinen, die den evakuierten Stützpunkt inspizierte und nun die Tafeln fotografierte.
    Und das taten die beiden emsig. Die ringsum installierte Technik, die mit den empfindlichsten Augen und Ohren, die das Zeitalter hervorzubringen vermochte, auf sie gerichtet war, nahmen sie offenbar nicht wahr. Sie lag außerhalb ihres Sichtkreises. Vielleicht nahmen sie die Optiken als fern leuchtende Wolken oder Bestandteile des Riesengewächses, das für uns eine mittlere Birke war, auf.
    Die beiden fotografierten unverdrossen.
    Sie hatten sich die Arbeit geteilt und in der Mitte der Tafelreihe begonnen, jeder von ihnen bewegte sich auf ein Ende der Reihe zu.
    Der eine war bei der vorletzten Tafel angelangt, als die Beobachter am Bildschirm fast gleichzeitig einen Schrei ausstießen: Ins Bild schoben sich – über den Rand der Plattform hinweg – zwei riesige, bebende, beborstete Stangen, verhielten wie suchend, sprangen mit einem Ruck höher. Sie wuchsen aus einem klobigen, chitingepanzerten Kopf, dessen untere Partie in eine fürchterlich anzusehende, zackenbewehrte Zange auslief.
    »Eine Ameise!« rief Djamila plötzlich, und sie atmeten erleichtert auf – völlig unbegründet, wie sich sogleich beweisen sollte. Ihre Begriffswelt hatte ihnen einen Streich gespielt.
    Es war noch nicht einmal eine große Ameise, sondern so eine normale, mickrige, keine drei Millimeter lang. Sie schätzten das im Vergleich zur Größe der Tafeln ab. Jedoch im Verhältnis zu dem Kleinen, der unbekümmert an seinem Fotoapparat herumhantierte – es sah so aus, als würde er einen neuen Film einlegen –, war es ein einem Greuelmärchen entsprungenes fürchterliches Ungeheuer. Und dem drehte der Kleine den Rücken zu.
    Das Insekt kam nach Ameisenart ruckweise, verhaltend und fühlerwedelnd näher. Offenbar hatte es die Absicht, nach der langen Kletterei auf der Birke, nicht mit leeren Fängen in den Bau zurückzukehren. Der Kleine – er reichte ihr noch nicht einmal bis zu den funkelnden Augen – sollte allem Anschein nach ihre Beute werden.
    Einer der Techniker drehte aufgeregt an einem Knopf. Der Lautsprecher summte, aber er brachte keinen Laut zustande.
    Trotzdem mußte der Kleine etwas von dem Unheil, das auf ihn zukam, wahrgenommen haben. Er drehte sich plötzlich um, verharrte einen winzigen Augenblick und begann dann in Richtung auf den Hubschrauber davonzurennen.
    Die Ameise schnellte vor, verfehlte.
    Der zweite Kleine hatte sich, vielleicht nach einem Warnruf, blitzschnell hinter einer der Tafeln versteckt. Ihn trennten vom Geschehen immerhin beinahe zehn Zentimeter.
    Sie schalteten eine weitere Kamera zu; sie gestattete den Blick hinter die Tafeln, in deren Schutz – wie sich nun herausstellte – der zweite Kleine mit großen Sätzen auf den Schauplatz zueilte.
    Dort hatte sich unterdessen eine neue Situation ergeben: In der Mitte des Aststumpfes hatten sich, wohl begünstigt durch den Eingriff, der dem Holz die Spannung genommen hatte, Haarrisse gebildet. In einen solchen hatte sich der Kleine zunächst hineingerettet. Freilich schien dadurch für ihn die Situation nicht wesentlich günstiger geworden zu sein. Er hielt sich mit den Händen am Rand der Spalte fest. Da war aber bereits die Ameise heran und zwickte nach diesen klammernden Händen…
    Sie stöhnten auf, als diese sich lösten und der Kleine in die Spalte stürzte. Hal war traurig und ergrimmt zugleich. Warum hatte Fontaine, der dort oben am Baum hockte, nicht eingegriffen? Der Kleine brauchte nicht zu verunglücken!
    Im Begriff, zum Baum zu laufen und seine gepfefferte Meinung in die Höhe zu rufen, verhielt Hal: Der zweite Kleine, der bequem zum Hubschrauber gelangt wäre – zumal die Ameise jetzt fühlerwedelnd verhielt –, war bis auf etwa anderthalb Zentimeter heran. Er hob ein längliches Gerät – ein Gewehr! –, zielte auf den Kopf der Emse, ein winziges Fünkchen blitzte auf, aber mehr geschah nicht. Hatte er nicht getroffen?
    »Wenn er kein Auge trifft«, flüsterte ein Techniker, »kann er gegen den Panzer des Insekts nichts ausrichten.«
    So war es. Zum gründlichen Zielen ließ die Ameise keine Zeit. Sie rückte näher. Es blitzte noch einmal, zweimal auf, im Lautsprecher

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