Exzession
natürlich die vollkommenen Zähne. »Sie sind sehr
freundlich.« Sie streckte die Hand aus. »Darf ich Ihre
Tasche tragen?«
»Nein, das ist nicht nötig.«
Sie hob die Schultern und senkte sie wieder. »Nun«,
sagte sie, »Sie haben das Festival natürlich verpaßt,
aber wir sind eine ganze Gruppe, der es ebenso gegangen ist, und wir
haben beschlossen, daß wir während der nächsten Tage
unser eigenes Fest feiern werden, und, nun ja, offen gesagt, wir
brauchen jeden Beistand, den wir bekommen können. Alles, was ich
Ihnen versprechen kann, sind luxuriöse Gemächer,
wundervolle Gesellschaft und mehr erfreuliche Vorbereitungen, als es
bedarf, um einem Prinzip untreu zu werden, aber wenn Sie Lust haben,
das Opfer auf sich zu nehmen, dann verspreche ich, daß wir alle
versuchen werden, Sie dafür zu entschädigen.« Sie zog
die Augenbrauen hoch und setzte eine spöttisch-ängstliche
Miene auf, wobei sie die Winkel ihres verschwenderisch vollkommenen
Mundes herabzog.
Er ließ sie diesen Ausdruck für einen Moment
beibehalten, dann tätschelte er ihr den Oberarm. »Nein,
vielen Dank«, sagte er ernst.
Ihr Ausdruck verwandelte sich in verletzte Traurigkeit.
»Oh… sind Sie sicher?« sagte sie mit leiser, sanft
schmollender Stimme.
»Ich fürchte ja. Ich habe bereits etwas vor«, sagte
er mit echtem, aber unbeirrbarem Bedauern. »Aber wenn es irgend
jemanden gäbe, dem es möglicherweise gelingen könnte,
mich von meinen anderen Vorhaben abzubringen, dann wären Sie
das.« Er blinzelte ihr zu. »Ich fühle mich
geschmeichelt durch ihr großzügiges Angebot, und richten
Sie den BG doch bitte aus, daß ich die Mühe, die sie sich
gemacht haben, sehr zu schätzen weiß, aber dies ist eine
der seltenen Gelegenheiten für mich, mich für ein paar Tage
freizumachen, verstehen Sie?« Er lachte. »Keine Angst; ich
werde mich ein wenig amüsieren, und dann bin ich bereit, auf die
Reise zu gehen, wenn die Zeit gekommen ist.« Er zog ein kleines
Kugelschreiber-Terminal aus einer seiner Taschen und schwenkte es vor
ihrem Gesicht. »Und ich werde die ganze Zeit über mein
Terminal bei mir haben. Versprochen.« Er steckte das Terminal
wieder in die Tasche.
Sie sah ihm eine Zeitlang eindringlich in die Augen, dann senkte
sie den Blick, neigte den Kopf und zuckte die Achseln. Sie blickte
wieder auf, und jetzt war ihr Gesichtsausdruck ironisch. Als sie
sprach, hatte sich auch ihre Stimme geändert; sie klang nun
tiefer und nachdenklicher, beinahe bedauernd. »Also gut«,
seufzte sie. »Ich hoffe, Sie haben Spaß, Byr.« Sie
grinste. »Unser Angebot steht, falls Sie es sich doch noch
anderes überlegen sollten.« Ein tapferes Lächeln.
»Meine Kolleginnen und ich wünschen Ihnen alles Gute.«
Sie sah sich verstohlen in dem geschäftigen Gedränge um und
biß sich auf die Unterlippe, wobei sie leicht die Stirn
runzelte. »Wahrscheinlich haben Sie keine Lust auf einen Drink
oder so etwas, oder?« sagte sie, beinahe wehmütig.
Er lachte, schüttelte den Kopf, trat mit einer Verbeugung
zurück und warf sich seine Reisetasche über die
Schulter.
Genar-Hofoen war einige Tage nach dem Ende von Stufs jährlich
stattfindendem Festival eingetroffen. Bei seiner Ankunft herrschte an
dem Ort eine Stimmung herbstlicher Ausgebranntheit, gemischt mit
hochsommerlicher Trägheit; die Leute räumten auf, kamen zur
Ruhe, kehrten zum normalen Leben zurück und benahmen sich im
allgemeinen unauffällig. Er hatte ein Voraussignal geschickt,
und es war ihm gelungen, die Dienste einer Erotruppe zu buchen sowie
auch ein Garten-Penthouse im Vista reservieren zu lassen, dem besten
Hotel auf Ebene Drei.
Alles in allem war es das wert, die allzu offensichtlichen
Angebote dieser vollkommenen Frau abzulehnen (nein, eigentlich war es
das nicht wert… außer wenn diese vollkommene Frau mit
ziemlicher Sicherheit eine Agentin der Besonderen Gegebenheiten war,
so umgestaltet, daß sie genau deinen Phantasien entsprach, mit
dem Auftrag, sich um dich zu kümmern, dir alle Wünsche zu
erfüllen und auf dich aufzupassen, wenn du in Wirklichkeit
nichts anderes wolltest als ein wenig Abwechslung, etwas Aufregung
und einige kulturuntypische Abenteuer; seine Wunschpartnerin
dafür sah zweifellos so aus wie die wundervolle Verlioef Schung,
aber ebenso zweifellos gehörte sie nicht den BG, nicht dem
Kontakt und wahrscheinlich nicht einmal der Kultur an. Es war dieses
Verlangen nach etwas Fremdem, nach Lösung, nach Andersartigkeit,
das sie wahrscheinlich nicht verstehen
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