Exzession
zu
bringen, falls irgend etwas schieflaufen sollte. Sie saß auf
einem weißen Kippsessel, angetan mit einem langen roten Kleid,
mit ruhigen, doch weit aufgerissenen Augen, eine gewölbte Hand
auf den gerundeten Bauch gelegt. Der schwarze Vogel hockte auf einer
Armlehne des Sessels neben ihrer Hand.
Der Awatara lächelte zu der Frau hinab. »Da«, sagte
er. Er blickte sich mit wichtigem Getue um. »Endlich
allein.« Er lachte verhalten, dann senkte er den Blick zu dem
schwarzen Vogel, und sein Lächeln verging. »Wohingegen
du«, sagte er, »es niemals mehr sein wirst.«
Gravious sprang senkrecht in die Höhe und reckte den Hals.
»Was?« krächzte er. Gelian sah überrascht und
dann besorgt aus.
Amorphia wandte den Blick zur einen Seite. Ein kleines Gerät
wie ein Bleistiftstummel schwebte aus dem Schatten, der von einem
kleinen Baum geworfen wurde. Es drehte zu dem Vogel bei, der immer
weiter von dem kleinen, lautlosen Geschoß zurückwich, bis
er beinahe von der Armlehne des Sessels gefallen wäre; sein
blau-schwarzer Schnabel war nur ein paar Zentimeter vom Nasenkegel
der winzigen, komplizierten Maschine entfernt.
»Das ist eine Scout-Rakete, Vogel«, erklärte
Amorphia. »Laß dich nicht von ihrem unschuldigen Titel
irreführen. Falls du auch nur im entferntesten daran denken
solltest, noch einmal einen Verrat zu begehen, wird sie dich mit
Wonne in heißes Gas verwandeln. Sie wird dir überallhin
folgen. Mach es nicht so wie ich; tu, was ich dir sage, und versuch
nicht, sie abzuschütteln. Du hast einen
Nanotech-Aufspürsender an dir, wodurch es ihr ein leichtes sein
wird, dich zu verfolgen. Er dürfte inzwischen
ordnungsgemäß eingepflanzt sein, als Ersatz für das
ursprüngliche Gewebe.«
»Was?« kreischte der Vogel erneut, und sein Kopf zuckte
vor und zurück.
»Falls du ihn entfernen möchtest«, fuhr Amorphia
aalglatt fort, »kannst du das natürlich tun. Du findest ihn
in deinem Herzen; ein primäres Aorta-Ventil.«
Der Vogel gab ein schrilles Kreischen von sich und schoß
senkrecht in die Luft. Dajeil zuckte zusammen und bedeckte sich das
Gesicht mit den Händen. Gravious kreiselte in der Luft und flog
mit kräftigen Flügelschlägen zum nächsten Gang.
Amorphia sah ihm von unten aus kalten, liderverhangenen Augen nach.
Dajeil legte sich beide Hände auf den Bauch. Sie schluckte.
Etwas Schwarzes schwebte an ihrem Gesicht vorbei nach unten, und sie
pflückte es aus der Luft. Eine Feder.
»Tut mir leid, das alles«, sagte Amorphia.
»Was… was hat das zu bedeuten?« fragte Gelian.
Amorphia zuckte die Achseln. »Der Vogel ist ein Spion«,
erklärte er in gleichgültigem Ton. »War von Anfang an
einer. Er hat seine Berichte nach draußen geschickt, indem er
sie in Form von Bakterien verschlüsselte und diese auf den
Körpern der Leute ablegte, die kurz vor der Wiedererweckung und
Rückkehr ins Leben standen. Ich weiß davon schon seit
zwanzig Jahren, aber ich habe es geschehen lassen, nachdem ich jedes
einzelne Signal geprüft hatte; es wurde dafür gesorgt,
daß er nie etwas erfuhr, dessen Enthüllung eine Gefahr
bedeutet hätte. Seine letzte Botschaft war die einzige, die ich
jemals verändert habe. Sie half uns dabei, der Aufmerksamkeit
der Gähnender Engel zu entkommen.« Amorphia grinste,
beinahe kindisch. »Es gibt nichts mehr, was ich sonst noch tun
könnte; ich habe die Scout-Rakete auf ihn angesetzt, um ihn zu
bestrafen. Wenn es dich traurig macht, dann rufe ich sie
zurück.«
Dajeil Gelian blickte eine Zeitlang in die starren grauen Augen
der leichenhaften, dunkelgekleideten Gestalt, ganz so, als ob sie die
Frage nicht einmal gehört hätte.
»Amorphia«, sagte sie. »Bitte, was ist los? Was ist
wirklich los?«
Der Awatara des Schiffes sah einen Augenblick lang geschmerzt aus.
Er wandte den Blick ab, zu den Pflanzen, unter denen sich die
Scout-Rakete versteckt gehalten hatte. »Was auch immer«,
sagte er ungeschickt, gestelzt, »vergiß nie, daß du
frei bist, mich jederzeit zu verlassen; diese AKE steht ganz allein
dir zur Verfügung, und kein Befehl oder keine Bitte meinerseits
kann ihr Handeln beeinflussen.« Er sah sie wieder an. Er
schüttelte den Kopf, doch seine Stimme klang freundlicher, als
er wieder sprach. »Tut mir leid, Gelian. Ich darf dir immer noch
nicht viel sagen. Wir werden in der Nähe eines Sterns namens
Esperi anlegen.« Das Geschöpf zögerte, als ob es
unsicher wäre, und sein Blick wanderte über den Boden und
die herumstehenden Sessel. »Weil ich es will«,
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