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Falsch

Falsch

Titel: Falsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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»ganz genauso. Paul kam und ging, ein schweigender Schatten, wie der Klabautermann.«
    »Vielleicht misstraute er uns immer ein wenig?« Klausner zuckte mit den Schultern. »Dem Bonvivant Gruber, dem Piraten Böttcher und mir, dem Gringo Loco Klausner, der sich in den tropischen Regenwald zurückzog und ein Südstaatenhaus baute. Wer kann es ihm verdenken? Wir hatten ihn nicht umsonst ausgesucht.«
    Beide Männer schwiegen und hingen ihren eigenen Gedanken nach.
    Der Duft von Kaffee durchzog die Luft des Wintergartens, als das Dienstmädchen mit zwei silbernen Kannen hereinkam und sie auf dem Frühstückstisch abstellte. Dann verschwand sie genauso leise wieder.
    »Wie ist es dir ergangen?«, erkundigte sich Klausner und rollte näher. »Hast du geheiratet, Kinder?«
    Böttcher lehnte sich zurück und schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin allein geblieben, nach alter Piratensitte, bis auf einen Papagei, der mich nun bereits seit mehr als zwanzig Jahren begleitet. Glaub mir, Willi, am Anfang war es schwer.« Böttcher schloss die Augen. »Ihr habt mir gefehlt, wie Brüder, mit denen man jahrelang gelebt und gelitten hat und die plötzlich nicht mehr da sind. Die vier Musketiere waren in alle Windrichtungen zerstoben. Paul ging in die Hölle von Muzo, ich blieb in Medellín, Franz zog nach Bogotá und du hattest dich im Amazonasgebiet verkrochen.«
    »Woher weißt du von Franz und Paul?«, wunderte sich Klausner.
    »Von seinem Sohn, ich meine den jungen Gruber, der in Bogotá an Bord gegangen ist. Franz ist bereits vor Jahren gestorben«, antwortete Böttcher. » Er investierte den Großteil seiner Million in eine Smaragdmine in Muzo, die überschwemmt wurde und nie mehr leer gepumpt werden konnte. Bei einem Besuch am Wasserloch erfuhr er auch, dass Paul in der Gegend war, in den Minen arbeitete. Doch Paul weigerte sich ebenso, ihn zu treffen. So weiß niemand, was mit seiner Million geschah, ob er verheiratet war oder Kinder hatte.«
    »Oder wie er starb«, vollendete Klausner bitter, drehte seinen Rollstuhl und blickte hinaus auf die grüne Wand des Amazonas-Urwalds. »Ja, Geld hatten wir alle genug, eine Million Dollar war ein Vermögen, besonders damals und in diesem Teil Südamerikas«, erinnerte er sich. »Es reichte nicht nur zum Leben, gut angelegt, konnte man damit alt werden. Also heiratete ich, ging hierher und kaufte jede Menge Land, baute erst ein bescheidenes Haus. Der Regenwald rund um den Amazonas ist reich an Bodenschätzen. Bauxit, Eisenerz, Zinn und Gold. Ich investierte in die richtigen Minen, in die ergiebigen Goldwasch-Unternehmen. Ich hatte Glück, Franz hatte Pech.« Er zögerte. »Moment … du sagst, sein Sohn ist hier? Dann landete die Taube bei ihm …«
    »Ja, mit einem Totenkopfring am Bein.«
    Der alte Mann im Rollstuhl nickte langsam. »Ich verstehe, der Ring. Und du? Was hat dir die Taube gebracht?«
    »Einen Zettel mit ein paar Zeilen in Deutsch darauf gekritzelt, seltsame Schreibweise. Wahrscheinlich hat Paul den Hinweis verschlüsselt.«
    »Guter alter, vorsichtiger Paul.« Die Stimme Klausners war warm und voller Sympathie. »Wir haben damals tatsächlich die richtige Wahl getroffen.«
    »Und was hast du mit der Taubenpost bekommen?«, erkundigte sich Böttcher neugierig.
    »Einen kleinen Schlüssel«, antwortete Klausner und griff in seine Tasche, suchte. »Ach, ich habe ihn in meiner Aufregung in meinem Zimmer liegengelassen. Ich zeige ihn dir später.«
    »Drei Tauben, drei Hinweise«, zog Böttcher Bilanz. »Paul hat sich bis zuletzt an alle Abmachungen gehalten. Hätte einen perfekten Piratenkapitän abgegeben … wäre mit seinem Schiff untergegangen.«
    »Die Tauben sind aufgeflogen, also lebt er nicht mehr«, meinte Klausner düster. »Er entschied, dass die Zeit gekommen sei, und wir sollten versuchen, unseren Teil der Abmachung einzuhalten. Nur mehr wir beide sind noch übrig, Ernst. Jetzt liegt es an uns.«
    »Die Rache der alten Piraten?«, meinte Böttcher ironisch. »Möchtest du tatsächlich nach Europa segeln?«
    Als sich sein Freund ihm zuwandte, genügte dem Piraten ein Blick in die harten Augen des schmächtigen Mannes im Rollstuhl. »Und wenn es das Letzte ist, was ich tue«, flüsterte Klausner entschieden. »Das sind wir nicht nur Paul und Franz schuldig. Das Leben ist so schnell vorübergegangen, die Jahre sind verflogen, und während wir gewartet haben, hat sich die Welt verändert. Aber eines ist stets gleich geblieben, bis heute: Irgendwann muss jeder

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