Fee und der Schlangenkrieger
klar, dass er sie hier hängenließ, um sie weichzuklopfen. Nur hatte sie keine Ahnung, wofür sie weichgeklopft werden sollte. Was wollte er von ihr? Er musste doch inzwischen gemerkt haben, dass sie nicht Ennaj war.
Hatten sie im Sonnendorf inzwischen ihre Abwesenheit bemerkt? Bestimmt. Schlotte würde sich wahnsinnige Sorgen machen. Sie würde Ning den Kopf abreißen. Fee lächelte. Geschah ihm recht. Ela würde sich wahrscheinlich freuen, dass sie aus dem Weg war. Fee seufzte. Es ärgerte sie, dass Ela nun genau das gekriegt hatte, was sie gewollt hatte, sie war tatsächlich die First Lady in diesem bescheuerten Bronzezeitdorf geworden, war mit dem Mann, den sie wollte, so gut wie verheiratet und erwartete ein Kind von ihm, und die einzige andere Frau, für die ihr Mann sich interessieren würde, war von der Bildfläche verschwunden. Und würde wahrscheinlich nicht wiederkommen. Fee biss sich auf die Unterlippe. Ning war immer davon überzeugt gewesen, dass Lenyal sie töten würde. Wieso eigentlich? Sie sah immerhin aus, wie die Frau, die er geliebt hatte. Er würde inzwischen gemerkt haben, dass sie nicht Ennaj war, aber er hatte auch keinen Grund, sie als seine Feindin anzusehen. Sie hatte schließlich nichts mit dem Sonnendorf zu tun, es war reiner Zufall gewesen, dass sie dort gelandet war. Wäre es nicht verständlicher, wenn er hinter Ela herwäre um Ning zu treffen? Sie wusste nicht, was Lenyal von ihr wollte und was er mit ihr machen würde, nun da sie in seiner Gewalt war, aber würde er wirklich ihr Leben bedrohen? Naja, misshandelt oder vergewaltigt werden wollte sie im Grunde auch nicht. Es half nichts. Sie hatte Angst vor ihm, sie wusste nicht, wieviel davon berechtigt war und wieviel Nings Panikmache. Fee raufte sich die Haare. Vielleicht hatte Ning einfach Angst gehabt, sie zu verlieren. Vielleicht hing er noch an ihr, obwohl er mit Ela lebte. Sie selbst musste schließlich zugeben, dass sie trotzdem noch an ihm hing, obwohl sie Tom gemocht hatte, und sie ganz deutlich sah, dass der Mann, der er geworden war, Ning, jemand anders war.
Noch war sie jedenfalls am Leben. Irgendwann würde Lenyal kommen und dann würde sie erfahren, was er mit ihr vorhatte. Sie, Fee Maiwald, hatte aber keine Angst. Es war ein Abenteuer, weiter nichts. Kein Grund zur Panik.
Ihre Kleider waren getrocknet. Geräuschlos schlüpfte sie aus den Sachen, die Neni ihr gegeben hatte, und legte sie sorgfältig auf der Truhe zusammen. Dann zog sie ihre Cargohose, ihr Fleece und ihre eigenen Stiefel an und fühlte sich sofort besser. Sie setzte sich wieder ans Feuer. Lenyal. Sie rief sich sein Gesicht in Erinnerung, dieses merkwürdige Gesicht, das keinerlei Gefühlsregung verriet. Sie hoffte sehr, dass sie sich nicht total irrte, und dass sie es nicht doch mit einem Psychopathen zu tun hatte.
Fee hatte keine Ahnung wieviel Zeit verging. Irgendwann schlief sie ein. Sie erwachte, weil ihr Wächter sie an der Schulter schüttelte.
„Wach auf. Lenyal will dich sehen.“
„Was?“
„Wach auf.“
„Ist ja gut.“ Fee setzte sich auf und versuchte sich zu erinnern, wo sie war und was passiert war.
„Komm mit! Lenyal will dich sehen!“
Das Feuer war heruntergebrannt. Nur Kohle glimmte noch rot. Sie konnte sehen, dass Neni auf der anderen Seite der Feuerstelle hellwach war. Sie beobachtete Fee aufmerksam. Fee rappelte sich hoch. „Muss das denn mitten in der Nacht sein?“ Sie bemerkte, dass Nenis mürrischer Blick nicht auf ihr, sondern auf ihrem Wächter ruhte.
„Ja“, sagte er, „komm mit.“
Er stieß Fee vor sich her aus dem Häuschen und in die Dunkelheit hinaus. Die Kälte bewirkte, dass Fee schlagartig viel wacher war. Es hatte aufgehört zu schneien und das Dorf lag still im Mondlicht da. Fee warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und erinnerte sich, dass sie stehengeblieben war. Naja, sie sah auch so, dass es mitten in der Nacht war. Spinner. Fee gähnte.
Sie wurde zwischen den Häusern durchs Dorf dirigiert. Es dauerte nicht lange und sie kamen zu einem großen dunklen Gebäude, das an einem Dorfplatz, dem im Sonnendorf nicht unähnlich, lag. Ihr Wächter blieb stehen.
„Wir sind da?“, fragte Fee. Er schwieg. Fee atmete tief durch und stieß die Tür auf. Sie sah mit einem Blick, dass dies kein Wohnhaus war. Bis auf die Feuerstelle, in der ein kleines Feuer brannte, war es vollkommen leer. Vielleicht war dies so eine Art Versammlungshalle.
„Hallo?“, fragte Fee in die Stille. Eine Gestalt löste sich
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