Feine Familie
»Ich habe schon immer befürchtet, daß mit dir etwas nicht stimmt, seit du damals diesem rosaäugigen Wiesel eine Konservendose an den Schwanz gebunden und es mir ins Bett gelegt hast, und jetzt ...«
»So was habe ich nie gemacht. Und außerdem war es ein Frettchen.«
»Ganz gleich, was es war, jedenfalls ...«
»Ich finde, wir sollten uns auf die Gegenwart konzentrieren«, fuhr Emmelia dazwischen. »Die Frage ist doch die, was wir gegen Ronald unternehmen wollen.«
Der Richter blickte sie aus seinen Schweinchenaugen an. »Ronald? Was hat denn Ronald mit diesen teuflischen Erfindungen zu tun?«
»Wir alle wissen, daß er Professor Yapp angeblich nach Buscott geschickt hat, um Nachforschungen für die Familiengeschichte anzustellen.«
Wieder schob sich der Richter eine kleine Pille in den Mund. »Und du behauptest also, daß Ronald Bescheid weiß über diese ... diese ...?« krächzte er.
»Ich bin nicht sicher. Aber der springende Punkt ist der, daß dieser gräßliche Yapp sehr wohl dahinterkommen kann, wenn er hier noch länger herumschnüffelt.«
Eine Weile herrschte bedrücktes Schweigen, das nur durch das Klappern des Schürhakens und der Holzzange unterbrochen wurde, als Mrs. Van der Fleet-Petrefact ohnmächtig in den leeren Kamin sank. Ihr Mann ignorierte diesen Zwischenfall. »Wenn das so ist, darf man eben nicht zulassen, daß er dahinterkommt«, meinte schließlich der Richter. »Genau. Da hast du völlig recht«, pflichtete ihm der Brigadegeneral bei. Er hätte seiner Zustimmung noch größeren Nachdruck verliehen, hätte ihn nicht der drohende Blick in den Augen seines Bruders zum Schweigen gebracht. »Das ist leichter gesagt als getan«, fuhr Emmelia fort. »Er hat bereits versucht, hier einzudringen, und die Familiendokumente wollte er auch einsehen. Natürlich habe ich keine Einwilligung gegeben.«
Diesmal zielten die Blitze aus den blutunterlaufenen Augen des Richters auf Emmelia. »Du hast ihm die Einsicht in die Familiendokumente verweigert, obwohl sie ihn von diesem Zeug da abgelenkt hätten?« herrschte er sie an und schlug dabei mit der flachen Hand auf den Katalog. »Ich finde das äußerst merkwürdig. Merkwürdig, in der Tat.«
»Aber denk doch an den Skandal«, sagte Emmelia. »Eine Familiengeschichte würde enthüllen ...«
»Nichts im Vergleich zu dem hier«, brüllte der Richter. »Wenn es je bekannt wird, daß wir die Besitzer einer ...«
»Einer Happy-Susi-Fabrik«, schlug Osbert vor. »Wie du sie nennen willst, spielt keine Rolle. Zum Gespött der Leute werden wir auf jeden Fall. Mehr noch, sie werden uns als den Abschaum der Gesellschaft verachten. Ich muß abdanken und den Richterstuhl verlassen. Die Konsequenzen sind unabsehbar.«
Wieder herrschte eine Weile Schweigen im Büro. »Ich finde trotzdem ...«, setzte Emmelia an, wurde jedoch von den anderen sofort heftig angegriffen.
»Du hast es zugelassen, daß dieser abscheuliche Jüngling diese ... diese ... Dinger produziert«, röhrte der Richter. »In meinen Augen bist einzig und allein du für diese abscheuliche Situation verantwortlich.«
Der Brigadegeneral und Mr. Van der Fleet-Petrefact, ja sogar Osbert und Fiona wandten sich ebenfalls gegen Emmelia. Sie saß da und hörte kaum hin. Die Familie, über die sie so lange Zeit ihre schützende Hand gehalten hatte, ließ sie jetzt im Stich. »Also gut«, sagte sie schließlich, als die Schimpftiraden abflauten, »ich nehme die Verantwortung auf mich. Und jetzt sagt mir, was wir tun sollen.«
»Das liegt doch auf der Hand. Überlasse diesem Professor Yapp die Petrefact-Dokumente. Laß den Kerl doch die Familiengeschichte schreiben.«
»Und Ronald? Er müßte eigentlich schon dasein.«
»Wo denn?«
»Im New House. Ich habe ihn ebenfalls eingeladen.« Der Richter sprach sein Urteil. »Daraus kann ich nur folgern, daß du den Verstand verloren haben mußt, Weib.«
»Mag sein«, entgegnete Emmelia betrübt. »Aber was sollen wir ihm sagen?«
»Über das hier nicht ein Wort.«
»Und über die Familie alles?«
»Genau. Wir müssen ihn möglichst geschickt ablenken. Und ich würde euch allen empfehlen, ihn mit dem größten Respekt zu behandeln. Es steht in Ronalds Macht, unser aller Zukunft zu zerstören.« Und mit diesen Worten stand der Richter noch etwas wackelig auf und ging zur Tür. Die anderen folgten. Nur Emmelia blieb sitzen und trauerte jenem der Vergangenheit angehörenden, zurückgezogenen Leben nach, das ihre Verwandten im Interesse ihrer eigenen,
Weitere Kostenlose Bücher