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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Willoughby finstere Blicke zu. »Nun hören Sie mal…«, fing er an. Weiter kam er nicht, denn Mr. Willoughby war offenbar der Ansicht, daß er den anderen ausreichend vorgewarnt hatte, hob die Pistole und drückte ab.
    Es folgte ein lauter Knall und ein noch lauterer Schrei, der anscheinend aus meiner Kehle gekommen war, und das Treppenhaus füllte sich mit Rauch. Mit zutiefst erstauntem Blick taumelte der Zollbeamte gegen die Holztäfelung, während sich auf seiner Brust ein Blutfleck ausbreitete.
    Einem Reflex folgend, sprang ich nach vorn und griff dem Mann unter die Arme, um ihn behutsam auf den Boden gleiten zu lassen. Aufgeregte Stimmen drangen an mein Ohr, da sich die Bewohnerinnen des Hauses, angelockt durch den Schuß, auf dem Treppenabsatz versammelten. Durch die Kellertür stürzte Fergus mit gezogener Pistole.
    »Madame«, keuchte er, als er mich mit der leblosen Gestalt auf dem Schoß erblickte. »Was haben Sie getan?«
    »Ich?« entgegnete ich empört. »Ich habe überhaupt nichts getan,
das war Jamies kleiner Chinese.« Ich nickte kurz in Richtung Treppe, wo Mr. Willoughby auf einer Stufe kauerte und mit zufriedenem Blick die Szene betrachtete.
    Fergus sagte etwas Beleidigendes auf französisch, durchquerte das Treppenhaus und streckte die Hand aus, um den Chinesen an der Schulter zu packen - zumindest dachte ich das, bis ich sah, daß der ausgestreckte Arm nicht mit einer Hand endete, sondern mit einem Haken aus glänzendem Metall.
    »Fergus!« Ich war bei dem Anblick so schockiert, daß ich meine Bemühungen unterbrach, die blutende Wunde des Zöllners mit meinem Kleid zu stillen. »Was - was -« stammelte ich.
    »Was?« Er sah mich an und folgte meinem Blick. »Ach, das.« Er zuckte die Achseln. »Das waren die Engländer. Machen Sie sich keine Gedanken darüber, Mylady, wir haben keine Zeit. Du canaille , runter mit dir!« Er zerrte Mr. Willoughby von den Stufen und schob ihn höchst unsanft durch die Kellertür. Den Geräuschen nach zu urteilen, fiel der Chinese die Treppe hinunter, da es ihm im Augenblick an akrobatischer Geschicklichkeit mangelte, aber ich hatte keine Muße, mir darüber den Kopf zu zerbrechen.
    Fergus ging neben mir in die Hocke und zog den Kopf des Zollbeamten an den Haaren hoch. »Wie viele Gesellen hast du bei dir?« fragte er. »Rede, cochon , oder ich schlitze dir die Kehle auf!«
    Diese Drohung war überflüssig, da die Augen des Mannes schon glasig wurden. Mit größter Anstrengung verzog er die Mundwinkel zu einem Lächeln.
    »Ich sehe… dich… in der… Hölle wieder«, wisperte er, hustete eine erstaunliche Menge Blut aus und verschied. Er starb auf meinem Schoß.
    Wieder hörte ich auf der Kellertreppe hastige Schritte. Jamie stürmte durch die Tür und wäre beinahe auf die ausgestreckten Beine des Zollbeamten getreten. Er musterte die Leiche und sah mich dann voller Entsetzen an.
    »Was hast du getan, Sassenach?«
    »Nicht sie - das Schlitzauge«, warf Fergus ein. Er steckte die Pistole in seinen Gürtel und bot mir seine Hand. »Kommen Sie, Madame, Sie müssen auch nach unten!«
    Jamie kam ihm zuvor und wies mit dem Kopf in Richtung Eingangshalle.

    »Ich kümmere mich darum«, sagte er. »Bewach du den Vordereingang, Fergus. Die gewohnten Signale, und halt deine Pistole versteckt, solange du sie nicht brauchst.«
    Fergus nickte und verschwand durch die Tür, die zur Halle führte.
    Jamie war es gelungen, die Leiche notdürftig in das Umschlagtuch zu wickeln. Er nahm sie mir ab, und ich rappelte mich überaus erleichtert auf.
    »Oooh! Ich glaube, er ist tot !« rief eine ehrfürchtige Stimme von oben. Als ich aufschaute, sah ich ein Dutzend Prostituierte, die wie Cherubim auf uns herunterblickten.
    »Geht auf eure Zimmer!« befahl Jamie barsch, und sie stoben auseinander wie ein Taubenschwarm.
    Jamie sah sich im Treppenhaus nach Spuren des Unglücks um, aber Gott sei Dank gab es keine - das Tuch und ich hatten alles Blut aufgefangen.
    »Kommt mit«, sagte er.
    Auf der Treppe war es düster und im Keller stockfinster. Unten angekommen, blieb ich stehen und wartete auf Jamie.
    »Hinüber zur anderen Seite«, keuchte er. »Eine falsche Wand. Nimm meinen Arm.«
    Da die obere Tür zu war, sah ich nicht einmal die Hand vor Augen, doch Jamie fand seinen Weg scheinbar mit Radar. Er führte mich sicheren Schritts an großen Hindernissen vorbei, an die ich im Vorübergehen stieß, und blieb schließlich stehen. Ich roch die feuchten Steine, und als ich die Hand

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