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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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sagte ich. »Man darf es nicht einfach hinnehmen.«
    Wir lächelten uns schüchtern an.
    »Wirst du auch gut auf ihn aufpassen?« fragte Jenny unvermittelt. »Auch wenn ihr weggehen solltet? Tust du es?«

    Ich drückte ihre Hand und fühlte dabei ihre zarten, zerbrechlichen Knochen.
    »Ich verspreche es.«
    »Dann ist es gut«, sagte sie leise und erwiderte den Druck.
    Wir hielten einander eine Weile die Hände. Plötzlich flog die Tür auf und trieb Regen und Wind bis in den Keller.
    »Mama?« Ian steckte den Kopf durch die Türe. Seine Augen leuchteten vor Aufregung. »Hobart MacKenzie ist da. Papa sagt, du sollst schnell kommen.«
    Jenny erhob sich blitzartig und vergaß dabei fast den Korb mit Zwiebeln.
    »Ist er bewaffnet?« fragte sie besorgt. »Hat er eine Pistole oder ein Schwert dabei?«
    Ian schüttelte heftig den Kopf.
    »Aber nein, Mama«, sagte er. »Viel schlimmer: Er hat einen Advokaten mitgebracht.«
     
    Eine weniger rachsüchtig wirkende Figur als Hobart MacKenzie konnte man sich kaum vorstellen. Er war klein und schmal, um die Dreißig und hatte wasserblaue Augen mit hellen Wimpern. Seine unbestimmten Gesichtszüge begannen mit einer fliehenden Stirn und endeten in einem ebensolchen Kinn, das sich in dem steifen Kragen zu verbergen suchte.
    Als wir das Haus durch die Vordertür betraten, strich er sich soeben vor dem Spiegel in der Eingangshalle das Haar glatt. Eine sorgsam gelockte Perücke lag auf dem Tisch neben ihm. Als er uns erblickte, zwinkerte er erschrocken, griff rasch nach der Perücke und drückte sie sich auf den Kopf. Gleichzeitig verneigte er sich.
    »Mrs. Jenny«, sagte er zur Begrüßung. Flink blickten seine Augen in meine Richtung, schweiften ab und kehrten wieder zu mir zurück, als hoffte er, ich sei nur eine Fata Morgana.
    Jennys Blick wanderte zwischen ihm und mir hin und her. Dann seufzte er tief und packte den Stier bei den Hörnern.
    »Mr. MacKenzie«, entgegnete sie förmlich, »darf ich Ihnen meine Schwägerin Claire vorstellen? Claire, Mr. Hobart MacKenzie aus Kinwallis.«
    Mit offenem Mund glotzte er mich an.

    Ich wollte ihm die Hand entgegenstrecken, entschied mich dann aber anders.
    »Ich freue mich, Sie kennenzulernen«, sagte ich und lächelte so freundlich wie möglich.
    »Äh…«, gab er zur Antwort. Verhalten neigte er den Kopf. »Äh… ganz… meinerseits, Madam.«
    Zum Glück öffnete sich in diesem Augenblick die Tür zum Salon. Als ich die kleine, gepflegte Gestalt im Türrahmen erblickte, entfuhr mir ein Schrei des Entzückens.
    »Ned Gowan!«
    Es war tatsächlich Ned Gowan, der betagte Advokat aus Edinburgh, der mich einst davor bewahrt hatte, als Hexe verbrannt zu werden. Er war merklich gealtert, ein wenig geschrumpft und runzelig wie die getrockneten Äpfel im Gemüsekeller.
    Aber die schwarzen Augen leuchteten wie ehedem und blickten mich erfreut an.
    »Meine Liebe«, rief er und schritt behende auf mich zu. Freudestrahlend ergriff er meine Hand und drückte sie leidenschaftlich an seine welken Lippen.
    »Man hat mir erzählt, daß Sie…«
    »Wie sind Sie…?«
    »…wie schön, Sie zu sehen!«
    »…so glücklich, Sie wieder zu sehen, aber…?«
    Unser Wortwechsel wurde von Hobart MacKenzies Hüsteln unterbrochen. Mr. Gowan blickte verwirrt auf, dann nickte er.
    »Aye, natürlich. Erst das Geschäftliche, meine Liebe«, sagte er und machte eine galante Verbeugung. »Danach möchte ich aber alles über Ihre Abenteuer erfahren!«
    »Ja… ich werde mich bemühen«, entgegnete ich, wenngleich ich mich fragte, ob er wohl darauf bestehen würde, wirklich alles zu hören.
    »Ausgezeichnet.« Er sah sich in der Eingangshalle um, wobei sein Blick auch Hobart und Jenny streifte. »Mr. Fraser und Mr. Murray sind bereits im Salon. Mr. MacKenzie, wenn Sie und die Damen nun so freundlich wären, sich zu uns zu gesellen, ließe sich die Angelegenheit möglicherweise rasch erledigen, und wir können zu angenehmeren Dingen übergehen. Darf ich bitten, meine Liebe?« Einladend reichte er mir seinen hageren Arm.

    Jamie saß noch immer auf dem Sofa, und ich setzte mich hinter das Sofa auf ein Kniekissen. Zwar hielt ich es für unwahrscheinlich, daß Hobart MacKenzie Böses im Schilde führte, aber sollte Gefahr drohen, wollte ich in Jamies Reichweite sein.
    Die anderen Mitwirkenden verteilten sich im Salon: Jenny setzte sich neben Ian auf das kleine Sofa, Hobart und Mr. Gowan holten sich jeder einen samtbezogenen Sessel.
    »Sind wir vollzählig?« fragte Mr. Gowan

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