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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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der Insel an Land gezogen worden, kein Fischerboot, sondern ein langes, mit spitzem Bug und zwei Rudern.

    Während ich noch darauf starrte, tauchte ein Mann auf. Er hatte sich etwas unter den Arm geklemmt, was in Größe und Form der Kiste ähnelte, die Jamie beschrieben hatte. Mir blieb keine Zeit, Überlegungen anzustellen, denn nun erblickte ich einen zweiten Mann.
    Er trug den jungen Ian. Er hatte den halbnackten Knaben nachlässig über die Schulter gelegt. Ians Kopf hing nach unten, seine Arme baumelten. Kein Zweifel, er war entweder bewußtlos oder tot.
    »Ian!« Jamies Hand legte sich über meinen Mund, bevor ich erneut rufen konnte.
    »Sei still!« Er zog mich zu Boden, um mich den Blicken zu entziehen. Hilflos sahen wir zu, wie der zweite Mann Ian unsanft ins Boot hievte und das Boot ins Wasser schob. Wir hatten nicht die geringste Chance, den Kamin hinabzusteigen und zur Insel zu schwimmen, bevor sie entkommen konnten. Aber wohin wollten sie?
    »Wo sind sie hergekommen?« keuchte ich. Im wabernden Nebel unter uns rührte sich nichts.
    »Von einem Schiff. Es ist das Beiboot eines Schiffs.« Jamie stieß einen deftigen gälischen Fluch aus und war verschwunden. Als ich mich umdrehte, schwang er sich soeben auf eins der Pferde und zerrte es mit einem Ruck herum. Hals über Kopf ritt er über die Landzunge und entfernte sich von der Bucht. Hastig saß ich auf und folgte Jamie.
    Obwohl die Entfernung zur anderen Seite der Landzunge, die aufs offene Meer hinausging, weniger als eine Viertelmeile maß, kam mir der Ritt dorthin endlos vor. Vor mir sah ich Jamie, dessen offenes Haar im Wind flatterte, und dahinter das Schiff, das unweit der Küste vor Anker lag.
    Zerklüftet fiel die Felsküste zum Wasser ab. Nicht so steil wie zur Bucht, aber zu schroff, um ein Pferd hinunterzuführen. Als ich zum Stehen kam, war Jamie bereits abgesessen und tastete sich vorsichtig über den Kies bis ans Ufer hinunter.
    Zu meiner Linken entdeckte ich das Beiboot, das soeben um die Landzunge bog. Offensichtlich hatte jemand vom Schiff bereits Ausschau danach gehalten, denn es erscholl ein Begrüßungsruf, und kleine Gestalten tauchten unvermittelt in der Takelage auf.

    Dem plötzlichen Aufruhr an Bord nach zu schließen, hatte man auch uns erspäht. Überall lugten Männer über die Reling. Das Schiff war blau mit einem breiten schwarzen Streifen, der sich um den ganzen Rumpf zog. In diesem Streifen waren nebeneinander Geschützpforten eingelassen. Während ich noch dorthin starrte, schob sich ein schwarzer Geschützkopf durch die vordere Öffnung.
    »Jamie«, kreischte ich, so laut ich konnte. Er blickte auf, sah mich gestikulieren und warf sich flach auf den Boden, als die Kanone losging.
    Sie machte keinen großen Lärm, aber das seltsame Geräusch, das mir um die Ohren pfiff, ließ mich instinktiv in die Knie gehen. Neben mir zerbarsten einige Felsen unter der Wucht des Einschlags, so daß Gesteinsbrocken durch die Luft flogen. Mit einiger Verspätung dämmerte mir, daß die Pferde und ich oben auf der Landzunge weit besser zu sehen waren als Jamie auf der darunterliegenden Klippe.
    Die Tiere, die die Gefahr rascher als ich erfaßt hatten, hatten sich bereits aus dem Staub gemacht. Ich warf mich über die Felskante und rutschte in einem Regen von Kieselsteinen hinab, bis ich in einer Felsspalte Schutz fand.
    Als über meinem Kopf ein weiteres Geschoß explodierte, drückte ich mich noch tiefer hinein. Offensichtlich war die Besatzung an Bord des Schiffes zufrieden mit ihrem Erfolg, denn es wurde verhältnismäßig ruhig.
    Mein Herz pochte zum Zerspringen. Ich war von einer Staubwolke eingehüllt, und der Hustenreiz ließ sich kaum unterdrücken. Als ich einen Blick über die Schulter wagte, sah ich gerade noch, wie das Beiboot an Bord gehievt wurde. Allerdings entdeckte ich keine Spur von Ian und seinen beiden Entführern.
    Lautlos schloß sich die Geschützpforte, und der Anker wurde gelichtet. Langsam drehte sich das Schiff. Obwohl nur eine leichte Brise ging, fuhr es erst langsam, dann immer schneller auf die offene See hinaus. Als Jamie meinen Schlupfwinkel endlich erreicht hatte, war es bereits in der dichten Nebelbank verschwunden, die den Horizont verdunkelte.
    »Himmel!« war alles, was Jamie hervorbrachte, als er neben mir auftauchte und mich an sich preßte. »Himmel!«

    Er ließ mich los und blickte aufs Meer hinaus. Nichts regte sich außer ein paar träge dahinsegelnden Nebelfetzen. Es war, als hielte die ganze

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