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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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hat mich dazu gebracht, zu einem Empfang wie diesem zu kommen.«
    Er warf einer neben uns stehenden lachenden Gesellschaft einen verächtlichen Blick zu. Drei junge Männer wetteiferten darum, geistreiche Toasts auf eine Gruppe junger Damen auszusprechen, die die Aufmerksamkeiten mit Kichern und heftigem Fächerschlagen quittierten.
    »Es tut mir wirklich leid für Sie, Reverend«, sagte ich und trat ein wenig zur Seite. »Miss Cowden hat mir von der Tragödie Ihrer Schwester erzählt. Wenn ich Ihnen helfen kann…«
    »Niemand kann helfen«, unterbrach er mich. Sein Blick war trüb. »Es war die Schuld der papistischen Stuarts und ihrer zügellosen Gefolgsleute. Nein, niemand kann helfen, außer Gott. Er hat das Haus Stuart vernichtet, er wird auch den Mann Fraser zerstören, und an jenem Tag wird meine Schwester geheilt sein.«
    »Fraser?« Das Gespräch nahm eine Wendung, die mir ausgesprochen unangenehm war. Ich warf einen raschen Blick quer durch den Raum, doch zum Glück war Jamie nirgendwo zu sehen.
    »Das ist der Mann, der Margaret dazu verführt hat, ihre Familie und die richtige Überzeugung aufzugeben. Er war vielleicht nicht derjenige, der ihr Gewalt angetan hat, aber ihm ist es zuzuschreiben, daß sie ihr sicheres Heim verlassen und sich in Gefahr begeben hat. Aye, Gott wird es James Fraser schon noch vergelten«, sagte er mit grimmiger Genugtuung.
    »Ja, da bin ich mir sicher«, murmelte ich. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich glaube, dort ist ein Freund…« Ich versuchte zu entkommen, aber eine Prozession von Lakaien mit Schüsseln voller Fleisch versperrte mir den Weg.
    »Gott wird nicht zulassen, daß die Lüsternheit ewig währt«, fuhr der Reverend fort, der offenbar glaubte, der Allmächtige habe in etwa dieselben Ansichten wie er. Seine kleinen, blaßblauen
Augen waren mißbilligend auf die Damen in unserer Nähe gerichtet, die Mr. Willoughby umschwärmten wie Motten eine chinesische Laterne.
    Mr. Willoughby schien gleichfalls wie entflammt. Sein hohes Kichern übertönte das Gelächter der Damen, und ich sah, wie er gegen einen Diener torkelte.
    »So will ich nun, daß die Frauen in schicklichem Kleide mit Scham und Zucht sich schmücken«, hob der Reverend an, »nicht mit Haarflechten und Gold oder Perlen.« Er schien so richtig in Fahrt zu kommen: Zweifellos waren Sodom und Gomorrah nicht mehr weit. »Eine Frau, die keinen Mann hat, sollte sich Gott, dem Herrn widmen und sich nicht in aller Öffentlichkeit Vergnügungen hingeben. Sehen Sie Mrs. Alcott? Sie ist Witwe und sollte sich frommen Aufgaben zuwenden!«
    Als ich seinem Blick folgte, entdeckte ich eine rundliche, fröhliche Frau in den Dreißigern mit hellbraunen, kunstvoll zu Locken geformten Haaren, die kichernd bei Mr. Willoughby stand. Ich musterte sie interessiert. Das war also die berüchtigte lustige Witwe von Kingston!
    Der kleine Chinese kroch gerade auf Händen und Füßen auf dem Boden herum und tat so, als suchte er einen verlorenen Ohrring, während Mrs. Alcott in gespieltem Entsetzen aufschrie, weil er sich ihren Füßen bedenklich näherte. Vielleicht, so dachte ich, sollte ich mich sofort auf die Suche nach Fergus begeben, damit er Mr. Willoughby von seiner neuen Bekanntschaft losriß, bevor es zu spät war.
    Der Reverend, der den Anblick offenbar nicht ertragen konnte, stellte plötzlich seinen Becher mit Zitronensaft ab, drehte sich um und bahnte sich, die Leute mit den Ellenbogen beiseite drängend, den Weg zur Terrasse.
    Ich atmete erleichtert auf.
    Plötzlich entdeckte ich Jamie, der gerade auf eine Tür auf der anderen Seite des Saals zuging, die wahrscheinlich zu den Privatgemächern des Gouverneurs führte. Sicher würde er gleich mit Lord John sprechen. Neugierig beschloß ich, ihm zu folgen.
    Der Salon war inzwischen so voll, daß ich nur schwer hindurchkam. Als ich dann endlich die Tür erreichte, war Jamie längst verschwunden. Trotzdem öffnete ich sie.

    Ich trat in einen langen Gang, der von Kerzen schwach erleuchtet wurde. Fenster ließen das rotgefärbte Licht der Fackeln auf der Terrasse herein, was die Wanddekoration metallisch aufschimmern ließ. Sie bestand vor allem aus militärischen Gegenständen, Pistolen, Messern, Schilden und Schwertern. Ich fragte mich, ob es sich um persönliche Andenken von Lord John handelte oder ob sie zum Haus gehörten.
    Im Gegensatz zum Lärm im Salon herrschte hier auffällige Stille. Ich ging weiter durch den Flur; meine Schritte wurden durch einen langen

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