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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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verstehe ich nur zu gut. Sicher ein entsetzlicher Schock.« Zögernd senkte er die Stimme zu einem heiseren Flüstern und fragte: »Schläft sie?«
    »Vermutlich«, beruhigte der Gouverneur ihn. »Der Weinbrand hätte ausgereicht, um ein Pferd niederzustrecken…« Meine Finger zuckten, doch es gelang mir, stillzuliegen.
    »Verstehe. Weinbrand ist die beste Medizin. Ich wollte Ihnen mitteilen, daß ich zusätzliche Truppen von Antigua angefordert habe. Sie stehen Ihnen zur Verfügung, falls die Militärpolizei den Kerl nicht vorher findet.«
    »Hoffentlich nicht«, wandte sofort eine zum Äußersten entschlossene Stimme aus der Gruppe der Offiziere ein. »Ich will den gelben Scheißkerl selbst fangen. Es würde dann allerdings nicht viel von ihm übrigbleiben, was sich lohnte, an den Galgen zu hängen.«
    Aus den Reihen der Männer erhob sich zustimmendes Gemurmel, dem der Admrial jedoch energisch Einhalt gebot.
    »Ihre Gefühle in Ehren, meine Herren«, sagte er in normaler Lautstärke, »aber wir halten uns in jeder Hinsicht an das Gesetz, und Sie werden das auch Ihren Truppen klarmachen. Wenn der Schurke gefangen ist, soll er dem Gouverneur vorgeführt werden, damit ihm die gerechte Strafe zuteil wird. Dafür verbürge ich mich.«
    Dann ging der Admiral wieder zum Flüsterton über, um sich zu verabschieden.
    »Ich bleibe in der Stadt und quartiere mich in MacAdams Hotel ein«, krächzte er. »Wenn Sie Unterstützung brauchen, Eure Exzellenz, schicken Sie einen Boten.«
    Leise verließen die Marineoffiziere das Zimmer. Ich hörte Schritte und das Rascheln und Ächzen eines Sessels. Dann war es still.
    »Sie können jetzt aufstehen, wenn Sie möchten«, sagte Lord John nach einer Weile. »Ich nehme nicht an, daß Sie der Schock tatsächlich derart mitgenommen hat«, fügte er ironisch hinzu. »Ein einfacher Mord läßt eine Frau, die eine Typhusepidemie ohne fremde Hilfe in den Griff bekommen hat, wohl kaum in Ohnmacht fallen.«

    Ich nahm mir das Tuch vom Gesicht, schwang die Beine auf den Boden und setzte mich auf. Das Kinn in die Hände gestützt, lehnte er auf seinem Schreibtisch und musterte mich.
    »Es gibt solche und solche Schocks«, sagte ich und unsere Blicke trafen sich, während ich mein feuchtes Haar zurückstrich. »Falls Sie verstehen, was ich meine.«
    Er wirkte zunächst überrascht, doch dann dämmerte es ihm offenbar. Er griff in seine Schreibtischschublade und holte meinen weißseidenen, veilchenbestickten Fächer hervor.
    »Ich nehme an, er gehört Ihnen. Ich habe ihn im Flur gefunden.« Sein Mund verzog sich gequält, als er mich anblickte. »Vielleicht können Sie sich vorstellen, wie sehr mich Ihr Erscheinen schockiert hat.«
    »Das bezweifle ich sehr«, erwiderte ich. Meine Finger waren immer noch eiskalt, und ein großer, frostiger Klumpen lag mir schwer im Magen. Vergeblich versuchte ich, ihn hinunterzuzwingen. »Haben Sie nicht gewußt, daß Jamie verheiratet ist?«
    Er verzog das Gesicht, als hätte man ihn plötzlich geohrfeigt, und zwinkerte.
    »Ich wußte, daß er früher einmal verheiratet war«, berichtigte er mich. Er ließ die Hände sinken und begann mit den Gegenständen zu spielen, die auf seinem Schreibtisch lagen. »Er erzählte mir, oder besser, gab mir zu verstehen, daß Sie gestorben seien.«
    Grey griff nach einem kleinen, silbernen Briefbeschwerer und drehte und wendete ihn in seinen Händen. Unverwandt blickte er auf die glänzende Oberfläche, die ein großer Saphir zierte, der im Kerzenlicht blau schimmerte.
    »Hat er mich nie erwähnt?« fragte er leise. Ich war mir nicht sicher, ob Schmerz oder Ärger in seiner Stimme mitschwang. Unwillkürlich empfand ich so etwas wie Mitleid mit ihm.
    »Doch«, erwiderte ich. »Er sagte, Sie seien sein Freund.« Das feingezeichnete Gesicht erhellte sich ein wenig, und er blickte auf.
    »Wirklich?«
    »Sie müssen verstehen«, fuhr ich fort, »Er… ich … wir waren durch den Aufstand voneinander getrennt worden. Jeder dachte, der andere sei tot. Ich habe ihn erst vor vier Monaten wiedergetroffen.
    Greys Gesicht entspannte sich.

    »Ich verstehe«, sagte er langsam. »Lieber Himmel, da haben Sie sich zwanzig Jahre lang nicht gesehen?« Sprachlos starrte er mich an. »Und vier Monate? Weshalb… wie…?« Kopfschüttelnd schob er die Fragen beiseite.
    »Nun, das tut jetzt nichts zur Sache. Aber hat er Ihnen nicht erzählt… ich meine… hat er Ihnen nichts von Willie gesagt?«
    Verständnislos sah ich ihn an.
    »Wer ist

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