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Fernsehkoeche kuesst man nicht

Fernsehkoeche kuesst man nicht

Titel: Fernsehkoeche kuesst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikola Hotel
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möglich, dass er sich über mich lustig machte? Er träumte schließlich immer noch von Jacqueline, oder nicht?
    Kurzfristig wurde ich abgelenkt, weil am anderen Ende des Saales Tumult entstand. Mehrere Gäste sprangen gleichzeitig auf, und Geschrei ertönte. Stühle wurden gerückt, dann kehrte wieder Ruhe ein.
    »Was war da los?«, fragte ich Claude, der sich danach an mir vorbei zum Klo schleichen wollte.
    »Anscheinend hat Cousine Valerie ihren Sitznachbarn aus Versehen mit der Gabel gestochen. Frauen! Können nicht mal mit Besteck umgehen.« Kopfschüttelnd tigerte er weiter. Ich biss mir auf die Unterlippe. Arme Valerie.
    Der Nachtisch wurde serviert. Es gab auf Wunsch meiner Mutter Eiscreme. Sie war geradezu süchtig nach Eis. Während überall schon fleißig gelöffelt und diverse exotische Früchte verzehrt wurden, musterte mich die Kellnerin scharf.
    »Ich nehme an, Sie mögen kein Eis«, sagte sie.
    »Können Sie Gedanken lesen?«
    Jetzt grinste sie und nahm mir das Dessert wieder weg. »In diesem Fall soll ich Ihnen das hier geben«, erklärte sie und stellte einen zweiten Teller vor meine Nase. Ebenfalls von einer Speiseglocke bedeckt.
    Misstrauisch schnupperte ich. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie mir gerade eine Falle gestellt hatte und ich Idiot fröhlich lächelnd hineingetappt war. Der Schein trog nicht. Das merkte ich daran, dass Onkel Raimund, als der Deckel angehoben wurde, eine Erdbeere auf das Tischtuch hustete.
    Ich erstarrte.
    Und jetzt erst fiel mir ein, dass mein Unterbewusstsein irgendein wichtiges Detail verdrängt hatte. Ein wichtiges Detail in Größe 75A.
    »Guten Appetit!«, sagte die Kellnerin. Mir war klar, dass dieser Moment sie für alle Qualen der vergangenen Stunde entschädigte, denn sie schritt königlich in Richtung Küche. Leider hatte sie die Glocke mitgenommen, sodass ich den BH, der vor mir auf dem Teller drapiert worden war, nicht einmal bedecken konnte. Es war ein hübscher Seiden-BH in Bleu. Zwei blutrote Kirschen verzierten ihn genau an den richtigen Stellen. Ich erkannte ihn auch sofort wieder. Schließlich hatte ich ihn an dem Abend getragen, als Raphael meine Erbse entdeckt hatte.
    Nun gut , dachte ich, es stand nicht fett gedruckt drauf: Dies ist der BH von Josephine Henning, den sie in einem Anflug von kochender Leidenschaft verloren hat! , aber trotzdem starrten mich alle an.  
    »Ich möchte auch so einen Nachtisch!«, sagte Tante Helene, die aus Eitelkeit wieder ihre Brille nicht aufgesetzt hatte.
    »Ich glaube, mich hat etwas in die Lippe gestochen«, stammelte Onkel Raimund zusammenhanglos und lief rot an.
    »Ein, äh, Scherz«, sagte ich und stopfte das Corpus Delicti hektisch in meine Handtasche.
    »Hast du ihn also wiedererkannt?«, fragte in diesem Moment eine warme Stimme neben mir. Ich hatte Raphael aus verständlichen Gründen nicht kommen hören und machte schnappartige Bewegungen mit meinem Mund.
    »Du hast ihn in meiner Küche liegen lassen. Erinnerst du dich?«
    Leckoballo!
    Es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass alle (wirklich alle!) Augenpaare auf uns gerichtet waren. Das war so ein Augenblick, wo man gemeinhin bemerkt: Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Es war aber weitaus schlimmer: Man hätte sogar den Schatten einer Stecknadel fallen hören können!  
    Plötzlich rief jemand: »Das ist Raphael Richter!«, und Getuschel setzte ein.
    Meine Mutter schob ihren Stuhl zurück und kam auf uns zu.
    »Kind«, fragte sie. »Möchtest du uns nicht vorstellen?«
    »Euch vorstellen?«, echote ich.
    »Raphael Richter«, sagte Raphael und gab meiner Mutter die Hand. »Raphael Domenico Richter.«
    »Sybille Henning.«
    »Benannt nach Domenico Scarlatti«, sagte ich mechanisch. »Das ist irgend so ein Maler.«
    »Dummes Kind«, fuhr meine Mutter dazwischen. »Domenico Scarlatti ist ein Komponist des Barock! Ich bin wirklich enttäuscht von dir.« Sie wandte sich an Raphael. »Ihre Eltern haben eine Vorliebe für klassische Musik?«
    »Meine Mutter vergöttert Scarlattis Sonaten«, sagte er und lächelte gewinnend.
    Meine Mutter hingegen begann in diesem Augenblick, Raphael Richter zu vergöttern, ich sah es am Funkeln in ihren Augen.  
    »Domenico ist ein wunderschöner Name. Den muss ich mir unbedingt merken«, schwadronierte sie. »Demnächst werde ich nämlich zum dritten Mal Oma, und meine Schwiegertochter hat mir versprochen, dass ich diesmal den Namen des Kindes aussuchen darf.«
    »Was?«, keuchte ich auf und suchte

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