Feuer der Leidenschaft
hatte es aber als Kompliment gemeint«, sagte sie und stand auf. Sich die Katze wie einen Schal um den Hals legend, setzte sie hinzu: »Wir sehen uns dann beim Dinner wieder. Es ist ein ehernes Gesetz in diesem Haus, daß wir gemeinsam dinieren.« Ihr Blick ging zu dem Porträt von Lady Seaton hinüber. »Da meine Mutter wußte, daß Vater und ich oft zu sehr in unsere Arbeit vertieft waren, bestand sie darauf, daß wir uns wenigstens einmal am Tag wie zivilisierte Leute benehmen sollten.«
»Ihr seht ihr sehr ähnlich«, bemerkte er.
»Nicht wirklich. Wir hatten zwar die gleiche Augen-und Haarfarbe, aber sie war viel größer als ich - fast so groß wie Vater.« Die Katze an sich drückend, drehte sie sich wieder von dem Gemälde fort. »Und sie war natürlich schön.«
Kenneth überlegte, ob er ihr nicht sagen sollte, daß das auch für sie gelte; doch weil sie ihn dann sicherlich für einen Schmeichler gehalten hätte, unterließ er das lieber.
Obwohl sie für jeden, der ein Auge dafür hatte, eine wahre Schönheit sein mußte, dachte er, während er beobachtete, wie die Abendsonne ihre Haare in feurige Seide verwandelte. Doch er durfte nicht an so etwas denken, ermahnte er sich, wenn er seinen Auftrag erfüllen wollte, und sagte: »War Lady Seaton wirklich so bezaubernd, wie sie dort auf dem Porträt erscheint?«
»Wenn sie vergnügt war, steckte sie das ganze Haus mit ihrer Fröhlichkeit an. Aber wenn sie traurig war …«
Rebecca zögerte einen Moment. »Nun, dann wußten wir es alle.«
»War sie etwa launisch?«
Rebeccas Gesicht wurde starr, während sie sich auf die Tür zubewegte. »Ist das zuweilen nicht jeder?«
Offenbar hatte er hier den Finger in eine noch offene Wunde gelegt, an die er besser nicht hätte rühren sollen.
Als er überlegte, wie er diesen Fehler wieder korrigieren konnte, wurde ihm klar, daß er ihr auch etwas von sich erzählen mußte, wenn er ihr Vertrauen gewinnen wollte. Deshalb sagte er jetzt mit leiser Stimme: »Meine Mutter starb, als ich sechzehn war. Nichts hat mich im Leben so tief getroffen wie ihr Verlust.«
Rebecca hielt mitten im Schritt an und schluckte schwer:
»Es … es hinterläßt eine Lücke im Leben, die nichts und niemand mehr ausfüllen kann.« Sie schloß einen Moment ihre von tiefem Schmerz erfüllten Augen. »Wie ist Eure Mutter gestorben?«
»Langsam und qualvoll an einer tückischen Krankheit«, erwiderte er. Sich nun wieder lebhaft an dieses schreckliche Jahr erinnernd, begann er die Papiere auf seinem Schreibtisch zu ordnen und setzte mit rauher Stimme hinzu: »Ich habe im Krieg viele tapfere Männer sterben sehen, aber niemand hat im Angesicht des Todes eine größere Seelenstärke bewiesen als sie.«
Kenneth hatte zwar die Statur seines Vaters geerbt, aber seinem Wesen nach war er viel eher Elizabeth Wildings Sohn. Zu seinen frühesten Erinnerungen gehörten die langen, schlanken Finger seiner Mutter, die ihm als kleines Kind die Hand geführt hatten, als sie ihm beibrachte, seinen Namen zu schreiben. Von ihr hatte er auch das Zeichnen gelernt und sie hatte seinen Blick für die Umgebung geschärft und ihn gelehrt, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich war.
Obwohl ihr etwas grob geschnitzter Gatte sie wohl auf seine Weise geliebt haben mußte, hatte er dieses langsame Sterben seiner Gattin nicht ertragen können. Es war ihr Sohn gewesen, bei dem sie damals Trost und Beistand gesucht hatte, und so war Kenneth dazu gezwungen gewesen, binnen ganz kurzer Zeit erwachsen zu werden.
In ihrem Kummer hatten sich er und seine kleine Schwester eng aneinandergeschlossen, und dieses Band hatten auch die vielen Jahre, die er von zu Hause weg gewesen war, nie ganz zerreißen können.
Das leise Miauen des Katers holte Kenneth wieder in die Gegenwart zurück. Als er sah, daß seine Hände regungslos auf den Papieren lagen, die er eben noch so emsig hatte ordnen wollen, blickte er ein wenig verlegen zu Rebecca hoch, die ihn mitleidig ansah. Teufel, er hatte ihr sein Mitgefühl, aber keine Schwäche zeigen wollen!
Er stand auf. »Euer Vater sagte, daß ich auch für die Führung seiner Journale verantwortlich bin. Wo bewahrt er denn seine früheren Tagebücher auf? Ich denke, es könnte mir helfen, seine Geschäfte besser zu verstehen, wenn ich mal einen Blick in die Journale der letzten paar Jahre werfen könnte.«
»Da müßt Ihr Vater schon selbst fragen. Ich weiß nicht, wo er seine alten Journale verwahrt hat. Also dann -bis zum Dinner, Captain.«
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