Feuer der Nacht
noch einmal so eine Brühe vorgesetzt bekommen – nicht mal ein oder zwei Schluck aus Höflichkeit. Sie nahmen alle Platz, und Jaclyn griff nach der Fernbedienung, um den Fernseher abzuschalten. Eric zog sein Notizbuch aus der inneren Sakkotasche und schrieb einiges hinein.
»Wer hat Sie angerufen?«, fragte er, um einen Plauderton bemüht.
»Bishop Delaney. Er ist der Blumendesigner bei Carries Hochzeit. War der Blumendesigner. Er hatte davon erfahren. Einer seiner Freunde hat ihn angerufen und ihm gesagt, dass im Empfangssaal eine Frau ermordet wurde, und deshalb hat er dann mich angerufen.«
»Weshalb hat er Sie angerufen?«
»Weil heute Nachmittag er und die anderen Selbstständigen mich mit Carrie allein zurückgelassen hatten und er dachte – oh! « Bei dem Ausruf blieb ihr schier die Luft weg, und sie erstarrte; ihr Gesicht wurde noch weißer, als sie ihn anstarrte. Sie schluckte, ihre Lippen bewegten sich, doch es kam kein Laut heraus.
Er sah, wie sie die unausweichliche Schlussfolgerung zog, sah, wie der Ausdruck ihrer Augen von blankem Horror zu kurz aufflackerndem Ärger wechselte, bevor sie sich ins Leere richteten – wohl eher aus Selbstschutz.
»Sie wissen, was heute Nachmittag passiert ist«, sagte sie matt. »Sie glauben, dass ich sie umgebracht habe.«
10
»Wir verhören alle«, erwiderte er sanft. »Weshalb genau hat Bishop Delaney Sie angerufen?«
Sie glaubte ihm nicht. Ja, klar, letztendlich würden sie alle verhören, die am Nachmittag im Empfangssaal waren, aber in Anbetracht der Geschehnisse stand sie sicher ganz oben auf ihrer Liste.
Der Anflug von Schmerz in ihrer Brust überraschte und bestürzte sie. Sie wollte sich nicht gekränkt fühlen, das war dumm. Vom Verstand her wusste sie, dass Eric nur seine Arbeit tat; sie wusste, dass sie nichts anderes von ihm erwarten konnte. Es bestanden keine Bande zwischen ihnen. Sie waren noch nicht einmal miteinander ausgegangen. Zwischen ihnen war nichts – bis auf den One-Night-Stand.
Aber so vernünftig und rational ihr Verstand auch sein mochte, emotional hatte sie das Gefühl, als hätte ihr jemand einen Schlag in den Magen verpasst. Es war nicht nur dieser eine Punkt, es war alles zusammengenommen: der Schock und das Unbehagen zu erfahren, dass jemand im Empfangssaal ermordet worden war; die Überlegung, dass es Melissa sein könnte, die eine Freundin von ihr war, wenn auch keine enge; dann diese Irrsinnspanik, als sie meinte, Eric sei gekommen, um sie zu informieren, dass Madelyn etwas passiert sei. Jaclyn sah sich im Grunde als starke Frau, doch in diesem Moment hatte das Entsetzen sie fast in die Knie gezwungen. Und gerade, als sie sich wieder aufrappeln wollte, da hatte die Realität sie zu Boden geschmettert, dass Eric, dem sie in einer Nacht mehr von sich gegeben hatte als früher ihrem Ehemann, sie des Mordes verdächtigte.
Sie hatte sich kaum zurückhalten können, sich in seine Arme zu stürzen, um in dem schrecklichen Augenblick dort Zuflucht und Trost zu suchen, als sie gemeint hatte, ihrer Mutter sei etwas zugestoßen. Sie wollte sich wie ein Kind auf seinem Schoß zusammenrollen, ihr Gesicht an seiner breiten Schulter verstecken und ihn für sie die Welt ausblenden lassen. Was hatte sie sich nur gedacht? Dass eine gemeinsam verbrachte Nacht mehr war als einfach nur Sex? Wenn ja, dann hatte er sie jetzt eines Besseren belehrt. Wie dumm von ihr. Anstelle von Trost hatte sie ein Verhör bekommen. Mann, welch ein böses Erwachen!
Sie konnte kaum atmen, so schwer lastete das Gewicht auf ihrer Brust. Selbst wenn ihr Gefühl, betrogen worden zu sein, irrational war, vermochte dies nicht ihre Kränkung zu lindern. Eine Sekunde dachte sie, sie würde in Tränen ausbrechen – welch eine Peinlichkeit! –, doch dann schluckte sie schwer und konzentrierte sich auf den anderen Mann, dessen Name ihr nicht mehr einfiel. Er war älter als Eric, kleiner, seine Haare wurden schon grau, aber seine Schultern waren breit, und in seinem Blick lag etwas Wachsames.
»Tut mir leid«, brachte sie mit Mühe heraus – ihre Stimme war noch etwas dünn und zittrig –, »aber ich weiß Ihren Namen nicht mehr.«
»Garvey«, sagte er. »Sergeant Randall Garvey.«
»Sergeant Garvey«, wiederholte sie und schluckte erneut. Das Gewicht auf ihrer Brust ließ nach, und sie war in der Lage, die bitternötige Luft einzuatmen. Ihr Kopf wurde etwas klarer. Eric hatte ihr dieselbe Frage zweimal gestellt, und weder ihm noch Sergeant Garvey würde es
Weitere Kostenlose Bücher