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Feuersee

Titel: Feuersee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Weis , Tracy Hickman
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Innern und nicht auf seiner Haut. Prüfend hob er die
Hand und musterte
sie. Es war eine schmale, feinknochige Hand. Er zeichnete eine Rune in
die Luft
und sang sie gleichzeitig vor sich hin. Der Deckel des Sarkophags hob
sich.
    Haplo setzte sich auf und schwang die Beine über
den Rand. Leichtfüßig sprang er zu Boden; seine
Muskeln prickelten bei der
ungewohnten Anstrengung. Als sein Blick die spiegelnde
Oberfläche des offenen
Sarkophags streifte, erschrak er. Der Kristall zeigte ihm sein
Spiegelbild,
doch es war nicht sein Gesicht, das ihn anstarrte, sondern Alfreds.
    Er war Alfred!
    Haplo taumelte zurück; die Erkenntnis traf ihn
wie ein Schlag mit der Faust. Das erklärte
selbstverständlich das Fehlen der
Sigel auf seiner Haut. Die Magie der Sartan wirkte von innen nach
außen, die
Patrynmagie von außen nach innen.
    Verstört wandte Haplo sich dem Sarkophag neben
dem seinen zu. Eine Frau lag darin, jung, schön, die
Züge im Schlaf gelöst und
still. Ihr Anblick erfüllte Haplo mit Wärme, und er
wußte, daß er sie seit
langer, langer Zeit liebte. Er trat an ihren Sarkophag, legte die
Hände auf den
kalten Kristall, beugte sich nieder und streichelte mit den Augen jede
Linie
des geliebten Gesichts.
    »Anna«, flüsterte er.
    Eine kalte Hand griff nach seinem Herzen. Die
Frau atmete nicht. Er konnte ungehindert in den gläsernen Sarg
schauen, der
eigentlich kein Sarg war, vielmehr eine Art Kokon, ein Ruheplatz, bis
die Zeit
kam, sich zu erheben und eine neue Phase des Daseins zu beginnen.
    Aber sie atmete nicht!
    Zugegeben, die magische Stasis verlangsamte die
Lebensfunktionen. Haplo starrte angstvoll auf die stille Frauengestalt
hinab,
versuchte mit seinem Willen zu erreichen, daß der Stoff
über ihrer Brust sich
bewegte, daß ihre Lider sich hoben. Stunde um Stunde harrte
er aus, wartete,
bis die Kräfte ihn verließen und er zusammenbrach.
    Er lag auf dem Boden, unfähig, etwas zu
empfinden, von Verzweiflung übermannt. Schwerfällig
hob er wieder die Hand und
drehte sie vor seinen Augen hin und her. Jetzt fiel ihm auf, was er
zuvor nicht
bemerkt hatte: seine Hand war schmal und feinknochig, aber auch runzlig
und mit
Altersflecken übersät. Blaue Adern
schlängelten sich unter der bleichen Haut.
Er stand mühsam auf, starrte in den Deckel des Sarkophags und
nahm zum
erstenmal wahr, wie er sich verändert hatte.
    »Ich bin alt«, flüsterte er und
berührte mit den
Fingerspitzen sein Spiegelbild, das, als er sich zum Schlafen
niederlegte,
Jugend ausgestrahlt hatte. Jetzt war es alt, die Haut faltig und
schlaff, der
Schädel kahl, bis auf einen schütteren,
weißlichgrauen Haarkranz.
    »Ich bin alt«, wiederholte er, von Panik
geschüttelt. »Ich bin alt! Gealtert! Und es dauert
lange, bis sich bei einem
Sartan Spuren des Alters zeigen! Aber sie nicht. Sie ist nicht
alt!« Er schaute
wieder in den Sarkophag. Nein, sie war nicht älter als damals,
nicht älter als
in seiner Erinnerung. Was bedeutete, sie war nicht gealtert. Was
bedeutete, sie
war …
    »Nein!« rief Haplo und krallte seine
Finger in
den Kristall, als wollte er ihn zerbrechen, aber sie glitten ab, ohne
Schaden
anzurichten. »Nein! Nicht tot! Es darf nicht sein,
daß sie tot ist und ich
lebe! Daß ich am Leben bin und – und
…«
    Er trat zurück, schaute sich um, schaute in all
die anderen Kristallschreine. In jedem lag ein Körper.
Freunde, Weggefährten,
Brüder, Schwestern, die mit ihm hätten erwachen
sollen, wenn die Zeit gekommen
war, um das Werk fortzuführen. Es gab soviel zu tun! Er lief
zum nächsten
Sarkophag.
    »Ivor!« rief er, hämmerte mit den
Fäusten auf
den Kristall. Der Mann darin regte sich nicht, schlug nicht die Augen
auf.
Kopflos eilte Haplo von einem zum anderen, rief jeden teuren Namen,
flehte
jeden an zu erwachen, zu leben!
    »Nicht ich! Nicht ich – allein!«
    »Vielleicht doch nicht«, sagte er mit neu
erwachter Hoffnung und blieb stehen. »Vielleicht bin ich
nicht allein. Noch bin
ich nicht außerhalb des Mausoleums gewesen.« Er
blickte zu dem Türbogen an der
gegenüberliegenden Seite der runden Kammer. »Ja,
dort draußen sind vielleicht
noch andere.«
    Doch er tat keinen Schritt in Richtung der Tür.
Das Fünkchen Hoffnung erstarb unter dem kalten Hauch der
Logik. Es gab keine
anderen, sonst wären sie längst hergekommen, um ihre
Mitstreiter aus dem
magischen Schlummer zu wecken. Er war der einzige

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