Fey 06: Die Erben der Macht
zurückgewann.
Coulter drehte sich langsam um. Er leckte sich die Lippen, blinzelte und runzelte die Stirn. Die Maske des Erwachsenen schob sich über sein Gesicht, aber der kleine verletzte Junge spähte immer noch aus seinen Augen.
»Ich konnte nicht«, antwortete er.
»Weil du eifersüchtig warst?« fragte Adrian weiter.
Coulter schüttelte den Kopf. Er seufzte und wischte ärgerlich die Tränen weg, die ihm in die Augen gestiegen waren. »Wenn ich so eifersüchtig wäre, hätte ich die Verbindung schon längst getrennt, ohne daß Gabe es bemerkt hätte.«
»Warum hast du ihm das nicht gesagt?«
»Ich hab’s ja versucht«, ereiferte sich Coulter, und seine Stimme wurde etwas lauter, wie die eines kleinen Jungen. Er räusperte sich und wiederholte leiser und beherrschter: »Ich habe es versucht.«
Er schluckte und blickte Gabe nach. Dann lehnte er sich gegen Adrian. Es war keine richtige Umarmung, dazu waren sie zu erwachsen, aber eine beruhigende Berührung.
»Es ist der Schwarze König«, sagte er. »Ich habe den Schwarzen König gespürt.«
Adrian wartete. Er lebte jetzt schon lange mit Coulter zusammen und hatte ihn allein großgezogen. Im Lauf der Zeit hatte er gelernt, Coulter nicht zu drängen. Er gab ihm immer etwas zurück. Trotz allem, was Gabe gesagt hatte, war Coulter ein guter Junge.
»So etwas habe ich noch nie gespürt, Adrian«, fuhr Coulter fort. Er senkte die Stimme, als habe er Angst, der Schwarze König könnte ihn hören. »Er ist böse.«
»Böse?« Dieses Wort hatte Coulter noch nie benutzt. Es war neu für Adrian, daß er es überhaupt kannte.
Bis jetzt.
Coulter nickte. Er starrte immer noch auf die Straße und den Pfad, den Gabe eingeschlagen hatte. »Ich spürte ihn, als er Gabe fand. Er ist stark, Adrian, und skrupellos. Er ist alt und verschlagen und hundertmal mächtiger als Rugar. Ich konnte ihn nur deswegen aus Gabe vertreiben, weil er überrascht war. Er wußte nicht, was ich war.«
Kleine kurze Schauder überliefen Coulter. Seit er damals das Schattenland verlassen hatte und weder wußte, was Gerüche noch Farben waren, hatte er sich nicht mehr so gefürchtet.
»Warum glaubst du, daß er Gabe geschadet hätte? Gabe gehört doch schließlich zur Familie.«
Coulter schüttelte den Kopf. »Rugad empfindet nichts für seine Familie. Nicht so wie du. Gabe ist für ihn nur ein Werkzeug, das er für seine Zwecke benutzen will. Er hätte Gabe verändert.«
»Durch die Verbindung?«
»Schon der erste Kontakt mit ihm hat Gabe verändert.«
»Glaubst du, das ist der Grund? Oder war es nur der Schock? Gabe hat noch nie einen solchen Verlust erlitten.«
Coulter hob eine Hand an sein Gesicht. »Er hat mich ausgeschlossen, Adrian. Das hat er noch nie getan. Wenn er vorhin einen Fehler begangen und die Verbindung durchtrennt hätte, hätte er sterben können.«
»Er ist aber nicht gestorben.«
»Noch nicht«, sagte Coulter.
»Dafür ist Gabe zu klug, glaube ich. Aber er vermißt diesen steinernen Jungen. Kannst du sie nicht irgendwie zusammenbringen?«
Coulter schüttelte den Kopf. »Sebastian ist die perfekte Verbindung. Wenn der Schwarze König ihn findet, wird er dieses Nichts vereinnahmen, und Sebastian wird verschwinden. Und wenn währenddessen die Verbindung zu Gabe geöffnet ist, dann kommt Gabe als nächster an die Reihe.«
Was er da hörte, gefiel Adrian überhaupt nicht. Er vertraute Coulter, beobachtete seit Jahren, wie der Junge seine Zauberkraft weiterentwickelte. Meist hatte Coulter recht mit dem, was er sagte.
»Kann Gabe die Verbindung allein öffnen?«
Coulter schüttelte den Kopf. »Ich habe zu viele Riegel vorgeschoben.«
»Kann der Schwarze König sie von der anderen Seite öffnen?«
»Von Sebastian aus?«
Adrian nickte.
»Nein«, sagte Coulter.
»Also ist Gabe in Sicherheit.«
»Gabe ist nicht in Sicherheit. Man kann Menschen nicht nur über Verbindungen einnehmen. Das weißt du«, antwortete Coulter.
Das wußte Adrian nur zu gut. Jewel hatte ihn erobert, als sie seinen Sohn bedroht hatte. Sie hatte leichtes Spiel gehabt, denn Lukes Leben erschien Adrian unendlich viel wichtiger als sein eigenes.
»Du hast Angst, daß der Schwarze König sich wie Jewel verhält?« fragte Adrian.
»Nein.« Coulter wandte sich um. »Der Schwarze König ist nicht wie Jewel. Sie war auch klug, aber noch jung und ohne seine Erfahrung. Mit ihm verglichen war sie ein Baby. Es hat seinen Grund, warum er die halbe Welt beherrscht. Er ist die mächtigste Person, der
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