Fingermanns Rache
hart kam, konnte er auf mich zählen. Und jetzt? Sein Privatleben gerät durcheinander, dieser Penner geht ihm auf die Nerven, und schon dreht er durch und macht mich zur Sau. Der will mich loshaben, ganz kalt abservieren. Aber nicht mit mir, dem werde ich’s zeigen!« Bakker brüllte jetzt, sein Gesicht war rot angelaufen.
»Du hast ja recht«, beschwichtigte Marion. »Schorten hat überreagiert. Ihr solltet morgen darüber reden. Ich bin sicher, dass sich alles wieder einrenkt.«
»Wen interessiert schon der nächste Tag, wenn die Nacht so schön ist.« Bakker setzte sich wieder in Bewegung.
»Bakker, bleib stehen, du bist betrunken«, sagte Marion schneidend.
Bakker stand nun genau vor ihr und schaute auf sie herab. »Das Handtuch verdeckt mir die Sicht«, sagte er heiser und legte seine massige Hand auf Marions Brust. Marion schlug die Hand weg, das Handtuch verrutschte.
»Schon besser«, grinste Bakker.
»Tu das nicht, ich werde schreien!« Marions Stimme zitterte.
»Dann macht es noch mehr Spaß.« Bakker drückte Marion gegen die Wand. Er war über einen Meter neunzig groß und wog mindestens hundertdreißig Kilogramm. Er roch nach Alkohol und altem Schweiß. Seine Hand zerrte an ihrer Hose, sein Knie zwängte sich zwischen ihre Beine.
Marion unterdrückte die aufkeimende Panik und handelte. In Jahren antrainierte Abläufe wurden ausgelöst. Sie rammte von unten ihre Faust gegen Bakkers Nase. Ein unangenehmes Geräusch ertönte, Bakker taumelte einen Schritt zurück. Blut lief über sein Gesicht. Bakker lachte und kam wieder auf sie zu. Marion riss ihr Knie hoch und traf Bakker im Unterleib, dann schlug sie mit der Handkante gegen seine Kehle, traf diese aber nur unzureichend. Dennoch knickten dem Riesen die Beine weg. Marion stieß sich von der Wand ab, doch Bakker bekam ihren Fuß zu fassen. Marion stürzte. In diesem Moment ging die Tür auf. Im Gegenlicht erkannte sie die Silhouette Arndts.
Arndt hatte die Situation sofort erfasst. Er sah die Angst in Marion Tesics Gesicht und die Gier in Bakkers. Er sah, wie Bakker Tesics Fuß losließ und diese sich aufrappelte und auf ihn zurannte.
Marion Tesic packte ihn am Arm und sagte gehetzt: »Kommen Sie mit. Bakker hat den Verstand verloren.«
Arndt winkte ab. »Gehen Sie nur, einer Ihrer Kollegen ist im Erdgeschoss. Mir wird Bakker schon nichts tun.«
Tesic zögerte kurz, dann rannte sie den Gang entlang.
Arndt wandte sich Bakker zu. Dieser lehnte an der Wand und hielt ein Taschentuch an seine Nase. »Mann, hat die einen Schlag«, sagte er anerkennend.
»Sie sollten von hier verschwinden«, entgegnete Arndt.
»Warum? Jetzt ist eh alles egal.«
»Tesic wird eine Weile brauchen, bis sie zurück ist. Noch haben Sie eine Chance.«
»Toll, und morgen werde ich wegen versuchter Vergewaltigung verhaftet. Mein Leben ist am Arsch.«
»Eine Vergewaltigung braucht Zeugen, und der einzige Zeuge hat womöglich gar nichts gesehen.«
Bakker nahm seine Jacke und richtete sich langsam auf. Misstrauisch fragte er: »Warum tust du das? Wir beide sind nicht gerade Freunde.«
»Es ist immer gut, jemanden bei der Polizei zu kennen, der einem mal einen Gefallen tut.«
»Ich bin nicht bestechlich.«
»Klar«, grinste Arndt. »Ein unbestechlicher Bulle, der seine Kollegin vergewaltigen will; das hat schon was.«
Bakker rang kurz mit sich, dann stimmte er zu. Leicht humpelnd ging er zur Tür und spähte in den Gang.
Arndt folgte ihm und sagte: »Machen Sie sich keine Sorgen, die Tesic braucht noch ein bisschen. Und Ihre Kollegen sind mit der Suche nach mir beschäftigt.«
Während Bakker seine Jacke anzog, steckte Arndt ihm eine Visitenkarte zu. »Vielleicht wollen Sie heute Abend noch Ihr Gemüt abkühlen.«
Bakker schaute irritiert, dann verschwand er.
Marion irrte durch das Gebäude. Im Erdgeschoss war niemand, die Pforte war verlassen, doch im Kellergeschoss brannte Licht. Marion verkniff es sich zu rufen, zu sehr hatte sie Angst, dass Bakker ihr gefolgt war. Vorsichtig schritt sie die Treppe hinunter. Erst jetzt, wo sie langsamer ging, merkte sie, wie sehr sie zitterte.
Unten angekommen, lauschte sie. Es war niemand hier, jedoch stand die Tür zu Wilbur Arndts Unterkunft offen. Marion betrat die Kammer. Sofort fiel ihr Blick auf die aus Draht geformte Figur, die auf dem Tisch lag. Sie erinnerte an einen Menschen, einen großen Menschen, um dessen Hals eine Schlinge gezogen war. Marion setzte sich an den Tisch und starrte die Figur an. Weiter tat sie
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