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Finkenmoor

Finkenmoor

Titel: Finkenmoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myriane Angelowski
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Allgemeinen verbat sie sich Tischgespräche.
    »Gerhards Tochter.«
    Ronny saß steif, augenblicklich waren die Muskeln seines Körpers angespannt, und den Dialog seiner Eltern vernahm er nur noch dumpf.
    Heike Monreal. Groß, schlank, mit braunen schulterlangen Haaren, einem unglaublich sinnlichen Mund und einem Lachen, das die Welt anhalten konnte. Seit Jahren nahm sie jede Windung seines Gehirns ein. Für Ronny hieß sie Kimberly. Heike fand er einfach nicht passend, zu trivial für so viel Schönheit. Kimberly ging nicht, sie schwebte. Sie sprach nicht, sie sang. Kimberly Monreal, die zukünftige Frau Ronald Dallinger. Allein ihren Namen auszusprechen bedeutete Glück. Jeden Wunsch las Ronny seiner Traumfrau von den wallnussbraunen Augen ab. Er schwor ihr jeden Tag seine Liebe, führte sie in noble Restaurants, lenkte die Jacht seines Vaters Richtung Westen und trank mit ihr Champagner im glühenden Sonnenuntergang. In der Vollkommenheit seiner Wunschvorstellung lag sie nachts bei ihm. Blutüberströmt, mit klaffenden Wunden, aber lächelnd, während er ihr vorlas.
    Kimberly liebte ihn.
    Früher im Gymnasium hatte sie ihn verteidigt, wenn Klassenkameraden ihn Fettklops nannten. Sie bot sich als seine Partnerin in der Tanzschule an, als sich alle anderen Mädchen kichernd wegdrehten. Kimberly winkte ihm heute noch jeden Morgen zu, wenn sie ihr Elternhaus verließ, bevor sie in ihren funkelnagelneuen Peugeot 206 stieg und zur Arbeit fuhr.
    »Püree?« Seine Mutter hielt ihm die Schüssel entgegen, holte ihn mit einem Wort an den Esstisch zurück.
    Er zuckte zusammen.
    Annemarie Dallinger drehte sich zu ihrem Mann. »Was treibt die Heike denn nach Hannover?«
    »Sie zieht zu ihrem Verlobten. Der hat da einen Handyladen oder so …«
    Ronny schielte zum Holzkreuz über der Tür. Vater unser. Vater mein. Vater am Arsch. Vater halt’s Maul. Sein Herz schlug laut. Lauter als die Standuhr. So ein Quatsch, du musst dich beruhigen. Einatmen, ausatmen. Ganz gleichmäßig .
    »Junge, noch Erbsen?« Die Stimme seiner Mutter klang jetzt schrill. »Es sind noch welche in der Küche.«
    »Danke, nein.«
    »Aber hat die Kleine nicht studiert?«, fuhr seine Mutter im Plauderton fort.
    Berthold Dallinger nahm die Stoffserviette, tupfte sie gepflegt über seine Lippen und trank einen Schluck, bevor er antwortete.
    Wülstige Lippen. Ekelhaft feuchte Dreckslippen, die leider zu selten einen Schlund verschlossen, aus dem minütlich stinkende Verwesungsgerüche emporstiegen und die Luft verpesteten.
    »Doch, doch, sie war auf der Universität in Bremen.«
    »Dann war ja das ganze Studium umsonst.« Aus dem Tonfall seiner Mutter klang Enttäuschung. »Hoffentlich bereut sie das nicht eines Tages. Schade, so ein kluges hübsches Ding.«
    »Ja, sie sieht ganz passabel aus.« Dallinger lachte. »Hat sich ja auch ganz schön ausgetobt, wie man hört. Aber letztlich landen sie doch alle hinter dem Herd. Emanzipation hin oder her, da hat sich nichts geändert.«
    »Ach, diese jungen Dinger. Wie heißt es doch: Am Tag ist die Eule blind, bei Nacht die Krähe. Wen aber die Liebe verblendet, der ist blind bei Tag und Nacht.« Seine Mutter schüttelte den Kopf und sah zu ihm herüber. »Du kennst die Heike doch. Was hat sie noch mal studiert?«
    »Kimberly! Sie heißt Kimberly, verdammte Scheiße!« Ronny schlug mit der Faust auf den Tisch. Teller und Gläser hüpften.
    Die Eltern schraken zurück.
    Ruckartig öffnete Ronny den oberen Knopf seines Hemdes. Mit zittrigen Händen schnitt er das blutige Steak in hauchdünne Scheiben. Hellrotes Blut mischte sich mit dem Sud der Erbsen.
    Abendrot. Abendbrot. Eltern tot.
    Seine Schläfen pochten. Ronny zwang sich, am Tisch sitzen zu bleiben, und schaufelte die restliche Mahlzeit in den Mund. Erst als seine Mutter die Zitronencreme servierte, beruhigte er sich. Es fiel kein Wort mehr. Nach dem Abendessen verschwand Ronny kurz auf sein Zimmer, überließ seine Eltern den Spekulationen, die sein Verhalten mit Sicherheit ausgelöst hatte, und verließ das Haus, als sie das heute-journal einschalteten.

Cuxhaven, Wernerwald
    Es gab nicht viele Möglichkeiten, mit dem Auto in das Naturschutzgebiet hineinzufahren. Autofahrer unerwünscht. Ronny scherte sich nicht darum. Jetzt, um diese Uhrzeit lag der Wald sowieso schweigend und einsam.
    Tagsüber vermied er Augenkontakt mit Fußgängern, wenn er Verbotsschilder missachtete oder Schranken umfuhr. Sein moosgrüner Kombi erleichterte die Angelegenheit. Auf der

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