Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Finne dich selbst!

Finne dich selbst!

Titel: Finne dich selbst! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Gieseking
Vom Netzwerk:
angesichts der Schalen und Schüsseln, die schon mit Köstlichkeiten den Tisch bedecken, nehme ich an, dass außer uns noch mindestens ein Kleinbus mit Gästen erwartet wird. Vielleicht macht der Bibliotheksbus hier noch halt. »Wir haben gedacht, wir kochen euch etwas typisch Finnisches. Ich erkläre gleich die einzelnen Speisen, die Kartoffeln brauchen noch etwas.«
    Wir werden zu Tisch gebeten. Telle hält uns eine Schale mit kleinen Rüben hin. »Dies ist vergleichbar mit den Teltower Rübchen. Ihr müsst sie mit dem Messer auskratzen, also hineinstechen und dann kreisförmig aushöhlen.« Handwerklich nicht ganz anspruchslos, aber sehr lecker!
    Hermann sagt: »Das ist ein bisschen wie Löcher stemmen!«
    »Das erste Mal seit langem, dass du wieder arbeiten musst, um etwas zu essen zu bekommen«, feixt Ilse.
    Dann wird regelrecht aufgefahren. Die beiden Frauen erklären uns den Reichtum der finnischen Küche. Es gibt Kartoffeln mit Dill, mit einer grandiosen Butter-Zwiebel-Soße. Dazu wird warm geräucherter Lachs gereicht, kalt geräucherten gibt es nur bei Außentemperaturen unter 20  Grad, und da liegen wir in diesem finnischen Jahrhundertsommer weit drüber. Daneben steht »graved« Lachs, der in einer Lake eingelegt ist. Außerdem schmale, kleine Fische, »kleine Aale«. Und Waldpilzsalat. Aus selbstgesuchten Pilzen. Natürlich! Außerdem geräucherter Rentierschinken mit Melone. Käse. Salat.
    »Kerl, ganz anders als bei uns«, stellt Hermann kauend fest.
    »Finnen und Deutsche haben aber auch Parallelen«, sagt Marja, »Wir haben beide eine Regierungschefin.«
    Ich nicke: »Ihr habt sogar eine weibliche Doppelspitze. Das hat sich Deutschland bei der letzten Bundespräsidentenwahl noch nicht getraut.«
    »Ja, wir haben eine Ministerpräsidentin aus der Zentrumspartei und eine Präsidentin. Anders als bei euch in Deutschland ist sie damit eine Art ›Hauptminister‹. Unsere Präsidentin ist auch Chefin der Armee und die Verantwortliche für die Außenpolitik.«
    Telle ergänzt: »Früher war Urho Kekkonen unser Präsident. Er machte alle Geschäfte, besonders mit den Russen, in der Sauna. Er leistete viel für unser Land, und alle mochten ihn. Kekkonen war schon Präsident, als ich noch ein kleines Kind war. Er war so lange im Amt, dass ›Kekkonen‹ und ›Präsident‹ zu identischen Begriffen wurden. Die Finnen hatten damals große Angst, den gleichen Weg wie die baltischen Länder zu nehmen. Sie wollten nicht in das riesige System der Sowjetunion integriert werden. Stalin wollte aber auch Leningrad schützen. Die Finnen haben für ihre Unabhängigkeit einen hohen Preis bezahlt. Kekkonen war russenfreundlich.«
    »Er war ein Schlitzohr«, wirft Marja ein.
    »Ja, in gewisser Weise auch fast ein Diktator. Aber geschätzt und geliebt.«
    »Wir Finnen mussten hohe Reparationszahlungen an die Russen entrichten.«
    »Ja, aber sie wollten Waren. Sie wollten kein Geld.«
    »Und sie wurden unser wichtigster Handelspartner.«
    »Deshalb kam es nach dem Zerfall der Sowjetunion hier in Finnland auch zur großen Wirtschaftskrise, Anfang der Neunziger. Textilien, Gummistiefel, Papier, das ging vorher ja fast alles als Export in die Sowjetunion.«
    »Wusstet ihr, dass Nokia als Unternehmen einmal mit Gummistiefeln begonnen hat? Im Gegenzug für unsere Waren bekamen wir Gas und Öl.«
    »Und den Moskwitsch und den Lada!«
    »Mein Vater hatte einen Lada«, sagt Telle. »Weißt du, Bernd, ich bin hinter dem Rücken Gottes geboren. Danach kam nichts mehr. Nur noch Gegend. Landschaft. Davon aber ganz viel. Einmal sind wir mit dem Lada 200  Kilometer weit zu euch, Maikki, nach Kemi gefahren.« Telle nennt ihre Cousine Marja oft geradezu zärtlich »Maikki«. » 200 Kilometer für eine Strecke. Und wir hatten keine Heizung in diesem Auto. Und dann wieder zurück nach Hause. Was haben wir gefroren! Ab da hatten wir auf jeder Autoreise Wickelfilzschuhe dabei. Kennt ihr Wickelfilz? Das sind diese gefilzten Schuhe aus Lappland.«
    Ich probiere den eingelegten Fisch. Wunderbar! Ilse schaut mir misstrauisch zu. Ich erzähle, dass sie keinen Fisch isst und nicht in die Sauna geht. Telle zieht die Augenbrauen hoch. »Ihr Deutschen könnt komisch sein. Es gibt nichts Besseres als Fisch und Sauna! Ilse, sollen wir die Sauna anheizen? Maikki hat eine in der Wohnung.«
    »Für mich nicht!«, antwortet Ilse energisch.
    Telle schaut kurz zu Ilse und fragt mich dann fast verschwörerisch leise: »Weißt du, wie man im Winter in Lappland

Weitere Kostenlose Bücher