Fire - Thriller
letzte Nacht in einem überfüllten Obdachlosenasyl verbracht.
Während der nächsten Stunde erzählte mir Adanne, dass sie seit zwei Jahren über den ursprünglichen Tiger und seine Bande schrieb, er aber bis jetzt eine Art Schattengestalt geblieben war.
»Ich bin nicht sicher, ob es mehr als einen Tiger gibt. Aber auch ich habe dieses Gerücht gehört. Es könnte sich um einen Gangstermythos handeln. Wer weiß, vielleicht verbreitet er ihn selbst. Jedenfalls weiß man nicht, was ein Mensch wie er einer Zeitung antun könnte, wenn er wollte.«
»Oder einer Reporterin?«, fragte ich.
Sie zuckte mit den Schultern. »Einige Dinge sind wertvoller als das Leben. Schließlich sind Sie doch auch hier. Sie gehen ein beträchtliches Risiko für Ihr Leben ein.«
Ich lächelte. »Ja, ich denke schon.«
Ich konnte meinen Blick nicht von Adanne Tansi abwenden, versuchte aber, nicht unverschämt zu wirken. Sie trat wie eine Schauspielerin auf, und ihre hohen Wangenknochen und ihre rehbraunen Augen waren nicht zu übersehen. Ihre Furchtlosigkeit wunderte mich. Sie hatte viel zu verlieren, nahm die Sache aber locker.
Sie griff zu einem Stift. Mir war entgangen, dass inmitten des Durcheinanders auf ihrem Schreibtisch ein Schreibblock lag.
»Keine Notizen«, bat ich. »Dies ist kein Interview. Ich bin hier nur Tourist. Das ist mir sehr deutlich gemacht worden.«
Adanne legte den Stift sofort nieder und lächelte, als wäre es wenigstens den Versuch wert gewesen.
»Haben Sie irgendeine Ahnung, wo sich der Tiger derzeit aufhält?«, fuhr ich fort. »Oder eine Ahnung, wie ich das herausfinden könnte?«
»Ein Nein auf die erste Frage. Die zweite Frage glaube ich mit Ja beantworten zu können.«
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Ich wartete, doch sie ließ es dabei bewenden. Nach ein paar Sekunden wurde mir bewusst, dass in Lagos auch eine Zeitungsredaktion ein Marktplatz war.
»Im Austausch wofür?«, fragte ich schließlich.
Adanne lächelte wieder. Sie war sehr scheu und schlau. »Eine gute Geschichte über einen amerikanischen Detective, der nach Kriminellen und Mördern wie den Tiger sucht – es wäre schwer, das nicht zu drucken.«
Ich stützte mich auf die Armlehnen, bereit zu gehen. »Nein.«
Plötzlich blickte sie mir direkt in die Augen. »Detective Cross, ist Ihnen bewusst, wie viel Gutes eine solche Geschichte bewirken könnte? Dieses menschliche Monster ist für den Tod Hunderter von Menschen verantwortlich, vielleicht noch mehr.«
»Ich weiß.« Ich bemühte mich, meine Stimme im Zaum zu halten. »Einer davon war eine Freundin von mir.«
»Und einer mein Bruder«, erwiderte Adanne. »Deshalb verstehen Sie sicher, warum ich diese Geschichte schreiben will.«
Ihre Worte hallten in dem kleinen Büro wider. Adanne war nicht wütend, nur sehr direkt, aber auch leidenschaftlich.
»Ms. Tansi …«
»Bitte nennen Sie mich Adanne. Das tun alle.«
»Adanne. Ihnen geht die Geschichte sehr nah, aber ich kenne Sie nicht. Ich wünschte, ich könnte Ihnen vertrauen, aber ich kann nicht.«
Ihr Blick sagte mir, dass ich sie noch nicht verloren hatte. »Aber ich hoffe, Sie werden mir trotzdem helfen. Ich heiße übrigens Alex. Alle nennen mich so.«
Als sie über meine Worte nachdachte, sah ich ihr ihren inneren Konflikt an. Diese Art der Durchsichtigkeit bei einem Journalisten zu sehen, war unüblich, zumindest bei denjenigen, die ich aus Washington kannte.
Schließlich erhob sie sich. »In Ordnung«, sagte sie. »Ich werde sehen, was ich für Sie tun kann. Ich bin dabei.« Sie griff wieder zu ihrem Stift, einem onyxfarbenen Kugelschreiber mit silberner Spitze, wie man ihn als Geschenk bekommt. »Wo kann ich Sie erreichen? Alex?«
Im Männerwohnheim der Redeemed Church of Christ – dort wohne ich derzeit.
Ich weiß nicht, ob sie meine Pause bemerkte. Ich wollte Adanne Tansi beeindrucken, ob es schlau war oder nicht. »Ich werde Sie anrufen«, antwortete ich. »Gleich morgen früh. Versprochen.«
Sie nickte, bevor sie lächelte. »Ich glaube Ihnen, Detective Cross. Bisher jedenfalls. Enttäuschen Sie mich bitte nicht.«
Daran würde ich nicht im Traum denken, Adanne!
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Ein Geschäftsmann namens Mohammed Shol, mit außergewöhn lich guten Verbindungen, stand wie ein teuer gerahmtes Porträt seiner selbst in der geöffneten zweiflügligen Tür seines riesigen Hauses. Das Hauptgebäude war fast zweitausend Quadratmeter groß, das Gästehaus weitere siebenhundertfünfzig. Er gehörte zu den reichsten Menschen von Süddarfur und versäumte
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