Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
Prozeß. Zwar hätte mir auch die doppelte Portion nicht gereicht, um satt zu werden, aber ich musste mich begnügen. Das altbackene Brot schmeckte erstaunlich gut zum Fisch, und hinterher kochte Melisma Tee. Schließlich ließen wir uns auf unseren Decken ums Feuer nieder.
»Cob, bringt deine Arbeit als Schreiber dir einen guten Verdienst?«, wollte Josh plötzlich von mir wissen.
Ich stieß einen abschätzigen Laut aus. »Weniger, als mir lieb wäre. Aber ich komme zurecht.«
»Weniger als ihm lieb wäre«, wiederholte Imme in spöttischem Ton zu Melisma.
Harfner Josh beachtete sie nicht. »Du bist schon ziemlich alt für Gesangsunterricht, aber es könnte gehen. Deine Stimme ist nicht schlecht; doch du singst noch wie ein Knabe, weil du nicht weißt, dass dir jetzt die Atmung und das dunklere Timbre eines Mannes zu Gebote stehen. Dein Gedächtnis ist ausgezeichnet. Spielst du ein Instrument?«
»Die Meerpfeifen. Aber nur mehr schlecht als recht.«
»Ich könnte dir Unterricht geben. Wenn du dich uns anschließt...«
»Vater! Wir kennen ihn doch kaum!«, fiel Imme ihm ins Wort.
»Dasselbe hätte ich zu dir sagen können, als du dich letzte Nacht vom Heuboden nach unten geschlichen hast«, wies er sie in mildem Ton zurecht.
»Wir haben nur miteinander geredet.« Sie warf mir einen messerscharfen Blick zu, als hätte ich sie verraten. Mir wurde der Mund trocken.
»Ich weiß.« Josh nickte. »Die Blindheit hat mein Gehör geschärft. Doch wenn er nach deinem Urteil vertrauenswürdig genug für ein mitternächtliches Rendezvous ist, dann ist er nach meinem Urteil vielleicht vertrauenswürdig genug, um ihn zu bitten, sich unserer Truppe anzuschließen. Was meinst du, Cob?«
Ich schüttelte langsam den Kopf. »Nein. Trotzdem, vielen Dank. Ich weiß zu schätzen, was du mir da anbietest - einem Fremden. Ich bleibe bei euch bis zum nächsten Ort, und ich wünsche euch Glück, dass ihr einen neuen Reisegefährten findet, der euch von da an weiterbegleitet. Aber mir liegt nichts an...«
»Du hast jemanden verloren, der dir nahestand. Ich verstehe. Doch Alleinsein ist auf die Dauer für keinen Menschen gut«, erklärte Josh ernst.
»Wen hast du denn verloren?«, fragte Melisma in ihrer offenen Art.
Wie sollte ich darauf antworten, ohne weitere Fragen herauszufordern? »Meinen Großvater«, sagte ich schließlich. »Und meine Frau.« Alte Wunden brachen auf.
»Was ist geschehen?«
»Mein Großvater ist gestorben. Meine Frau hat mich verlassen.« Melismas Anteilnahme war echt, trotzdem wünschte ich mir, sie würden mich alle in Ruhe lassen.
»Alte Menschen sterben, wenn ihre Zeit gekommen ist«, wollte Josh mich trösten, doch Imme mischte sich ein. »Das war die Liebe, die du verloren hast? Was kannst du einer Frau schulden, die dich verlassen hat? Außer, du hast ihr einen Grund gegeben wegzugehen.«
»Es war eher so, dass ich ihr keinen Grund gegeben habe zu bleiben«, bekannte ich widerwillig. »Bitte. Ich möchte nicht über diese Dinge sprechen. Sie gehen nur mich etwas an. Es bleibt dabei, ich begleite euch bis zur nächsten Stadt; aber dann trennen sich unsere Wege.«
»Nun, das sind klare Worte«, meinte Josh bedauernd. Etwas in seinem Tonfall vermittelte mir das Gefühl, unhöflich gewesen zu sein, doch ich hatte nichts gesagt, was mir im Nachhinein hätte leidtun müssen.
Den Rest des Abends verbrachten wir größtenteils schweigend, wofür ich dankbar war. Melisma bot an, die erste Wache zu übernehmen, Imme die zweite. Ich erhob keinen Einspruch, weil ich wusste, Nachtauge würde um unser Lager patrouillieren. Kaum etwas entging seinen scharfen Sinnen. Unter freiem Himmel schlief ich tief und traumlos und war sofort hellwach, als Imme sich über mich beugte, um mich zu schütteln. Ich setzte mich auf, reckte mich und gab ihr mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass sie sich wieder schlafen legen könnte. Doch sie blieb und setzte sich neben mich.
»Du magst mich nicht leiden, habe ich Recht?«, fragte sie leise. Ihr Ton war sanft.
»Ich kenne dich nicht«, antwortete ich so taktvoll wie möglich.
»Nein. Und du hast auch nicht den Wunsch, mich kennenzulernen.« Sie blickte mich ganz ruhig an. »Aber ich habe mir gewünscht, dich kennenzulernen, seit ich dich in der Schankstube erröten sah. Nichts macht mich neugieriger als ein Mann, der rot wird. Ich möchte dann wissen, weshalb - doch wohl nicht nur, weil er eine Frau angestarrt hat.« Ihre Stimme wurde tief und sinnlich, als sie sich
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