Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
er hielt seinen Stab in beiden Händen zur Abwehr bereit, konnte jedoch keinen Gebrauch davon machen, ohne Imme oder Melisma in Gefahr zu bringen. Ohnmächtiger Zorn verzerrte sein Gesicht.
Die Gelegenheit war günstig. Ich hätte mein Bündel aufheben und mich davonmachen können, ohne auch nur noch einen Blick über die Schulter zu werfen. Die Verfolgung durch die Entfremdeten brauchte ich nicht zu befürchten. Sie gaben sich im Allgemeinen mit dem zufrieden, was leicht und gefahrlos zu haben war. Doch ich blieb. Ein letzter Rest von Mut, Stolz oder was auch immer, hinderte mich an der Flucht. Ich suchte mir den kleineren der beiden Männer aus, obwohl er im Umgang mit dem Knüppel offenbar der geschicktere war. Während Imme und Melisma sich des größeren zu erwehren suchten, zwang ich den anderen zur Verteidigung. Mein erster Hieb traf seine Unterschenkel. Ich wollte ihn kampfunfähig machen oder wenigstens zu Fall bringen. Er brüllte laut auf und fuhr zu mir herum, ließ aber sonst keine Wirkung erkennen.
Mein Gegner wirbelte herum und versetzte mir einen Schlag mit seinem Knüppel, den ich zwar mit meinem Stab parierte, dessen Aufprall ich jedoch bis in die Schultern spürte. Mein Körper signalisierte mir nur einen kleinen Schmerz und horchte auf mehr. Der Entfremdete schlug erneut nach mir, und wieder parierte ich. Nachdem ich ihn einmal in den Zweikampf verwickelt hatte, gab es für mich keine Möglichkeit mehr zum Rückzug oder zur Flucht. Er verstand seine Keule zu gebrauchen - vermutlich war er ein ehemaliger Soldat und im Kampf mit der Axt geschult. Ich erkannte seine Manöver und begegnete ihnen entsprechend, blockte ab oder parierte. Ich meinerseits scheute den Angriff, zu groß war meine Angst vor dem überraschenden Gegenschlag, der unversehens meine Deckung überwinden konnte, falls ich nicht ständig auf der Hut war. Dem Entfremdeten schien es ein Leichtes mit mir, so dass er ab und zu über seine Schultern blickte; - wahrscheinlich spielte er mit dem Gedanken, mich einfach stehenzulassen und sich den Mädchen zuzuwenden. Ich holte noch einmal mit aller Kraft zu einem Treffer aus, doch er zuckte kaum. In seiner Unermüdlichkeit gab er mir kaum Spielraum, damit ich den Vorteil meiner längeren Waffe ausnutzen konnte. Im Gegensatz zu mir wurde er auch nicht von dem Geschrei der Musikanten abgelenkt, die sich nach besten Kräften verteidigten. In dem Wald, der die Straße säumte, hörte man unterdessen in einiger Entfernung eine fluchende Männerstimme, die sich mit einem raubtierhaftem Knurren vermischte. Nachtauge hatte sich an den dritten Entfremdeten angeschlichen und versucht, ihm die Kniesehnen durchzubeißen, was ihm jedoch nicht gelungen war. Jetzt umkreiste er den Mann und hielt sich wohlweislich außerhalb der Reichweite des Schwertes in dessen Hand.
Dieses scharfe Eisen gefällt mir ganz und gar nicht, Bruder, aber sei unbesorgt. Er wagt es nicht, mir den Rücken zuzukehren, um zu seinem Rudel dazuzustoßen.
Sei vorsichtig! Zu mehr hatte ich keine Zeit, weil der Mann mit der Keule meine ungeteilte Aufmerksamkeit verlangte. Er ließ mich kaum Atem holen, und ich ahnte, dass er auf ein schnelles Ende aus war. Er glaubte, alle Vorsicht fahrenlassen zu können und setzte alle Kraft daran, meine Deckung zu durchbrechen. Jeder Hieb, den ich mit meinem Stab parierte, fuhr mir schmerzhaft bis in meine Schultern hinein. Jede weitere Erschütterung rief alte Schmerzen wach und weckte bereits verheilt geglaubte Wunden, an die ich längst nicht mehr gedacht hatte. Und meine Kraft erlahmte. Die Jagd und das Marschieren tat für den Körper nicht das Gleiche, was etwa die schwere Arbeit am Ruder bewirkte. Dazu plagten mich weiterhin nagende Selbstzweifel und lenkten mich ab. Ich sah mich schon wehrlos am Boden liegen und die erbarmungslose Keule auf mich niedersausen - ich war erneut wie gelähmt vor Angst und unfähig zu einer gezielten Gegenwehr. Die verzweifelte Entschlossenheit, Verletzungen zu vermeiden, ist nicht das Gleiche wie die Entschlossenheit zu siegen. Ich bemühte mich, ihn auf Distanz zu bringen, damit ich meinen Stab wirkungsvoller einsetzen konnte; doch er drang weiter gnadenlos auf mich ein.
Es gelang mir, einen Blick auf meine Begleiter zu werfen. Josh stand hochaufgerichtet in der Mitte der Straße und hielt den Stab verteidigungsbereit vor sich, aber das Kampfgeschehen hatte sich von ihm entfernt. Imme wich rückwärts vor den Schlägen des Entfremdeten zurück, der sie
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