Flamingo (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
muß, Schatz«, sagte sie.
»Ich wollte dich einfach sehen, mit dir reden.«
»Stimmt etwas nicht?«
»Nein, das kann man so nicht sagen«, sagte ich. »Hör zu, Boots, ich muß ohnehin bald in meine Wohnung, um ein paar Sachen zu holen. Dein Büro ist nur ein paar Blocks weiter. Kannst du für ein paar Minuten vorbeikommen? Ich mach uns beiden Frühstück.«
»Ich versuch’s«, sagte sie. »Was ist los, Dave?«
Ich holte Luft.
»Manchmal muß man halt einfach reden. Jetzt beispielsweise«, sagte ich.
»Ja, da magst du wohl recht haben«, sagte sie.
Ich gab ihr meine Adresse in der Ursulines Street.
»Dave?« sagte sie.
»Ja.«
»Mir tut so leicht nichts mehr weh. Wenn es darum geht.«
»Darum geht es überhaupt nicht«, sagte ich.
Nachdem ich aufgehängt hatte, blickte ich aus dem Fenster auf die Morgensonne, die durch die Bäume hindurch in Tonys Garten schien. Der Wind bewegte die Fischteiche, und der Windschutz um seinen Tennisplatz, noch feucht vom Morgentau, flatterte. Aber ich konnte dem neuen Morgen keine Freude abgewinnen.
Ich fuhr in die Stadtmitte und stelle meinen Pick-up in der Parkgarage auf der Ursulines Street ab. Dann ging ich durch den Aufgang mit der Ziegelkuppel in den Innenhof. Auf den Steinplatten waren Wasserschlieren, und ich roch Kaffee und Speck aus einer Wohnung. Eine Treppe höher fegte eine dicke Frau in einem bedruckten Kleid durch den Gitterrost Staub ins Sonnenlicht.
Ich hatte die Schlüssel schon in der Hand, als ich die leichten weißen Einkerbungen in der Form einer Schraubenzieherspitze zwischen Tür und Türrahmen bemerkte. Ich nahm die .45er hinten aus dem Gürtel, ließ sie lose an meiner Seite baumeln, trat die aufgeschlossene Tür mit dem Fuß auf und ging hinein.
Meine Augen wollten das Wohnungsinnere nicht sofort richtig wahrnehmen oder sich gar daran gewöhnen, ungefähr so, wie sich der Kopf weigert, den Zustand des eigenen Wagens wahrzuhaben, nachdem ihn eine Straßengang mit Pflastersteinen bearbeitet hat. An die Rückseite der Tür war ein großer Ochsenfrosch genagelt. Der dicke weiße Bauch war unter der Wucht des Nagels geplatzt, die Beine hingen schlaff herunter, und das breite, flache Maul stand auf, als wartete der Frosch immer noch auf eine Fliege.
Decke, Wände, die billigen Möbel, alles war mit Blut bespritzt, als hätte jemand ein Muster malen wollen. Über der Küchentür hatte jemand in rot einen Satz auf die verputzte Wand geschrieben: Du bist tot. Das Blut war in schmalen Fäden am Wandputz heruntergelaufen und auf den Linoleumboden getropft.
Aber mein Schlafzimmer hatten sie nicht angerührt, und ich dachte, daß ich das Schlimmste schon hinter mir hätte, bis ich einen Blick ins Badezimmer warf. Der Toilettendeckel war geschlossen, aber Blut und Wasser hatten die Schüssel überschwemmt und waren über das weiße Porzellan gequollen, zu dick und dunkel, um sich richtig aufzulösen. Auf dem Toilettendeckel lag ein Zettel. Auf dem feuchten liniierten Papier standen mit Kugelschreiber geschrieben die Worte Nicht abziehen. Baby an Bord.
Ich steckte die .45er wieder hinten in den Gürtel und wollte den Deckel hochheben. Dann zog ich die Hand wieder zurück.
Dreh jetzt nicht durch, dachte ich. Das haben sie nicht getan, das können sie nicht getan haben.
Ich ging in die Küche, riß ein Stück von einer Haushaltsrolle ab, faltete es sauber rechteckig und ging wieder ins Bad, um den Toilettendeckel zu heben. In dem dunkelroten Wasser schwamm der kleine Jagdhund meines Nachbarn. Ein Auge seines abgetrennten Kopfes starrte mich an, und die Eingeweide des Tieres quollen aus dem Schlitz, der von den Genitalien bis zur schlaffen Haut im Nacken reichte.
Ich warf das blutverschmierte Haushaltstuch in den Papierkorb, drehte mich um, und da stand Bootsie wie erstarrt in der Tür, die Hand auf den Mund gepreßt. Alle Farbe war aus ihren Wangen gewichen, und am Hals sah man ihren Puls rasen.
12. Kapitel
Sie saß alleine im Schlafzimmer, während ich mit zwei Streifenpolizisten redete, die der Vermieter gerufen hatte. Ein schwarzer Mann vom Gesundheitsamt fischte die Überreste des Hundes mit einem Netz aus der Toilette, während meine Nachbarn mit großem Interesse durch die offene Wohnungstür stierten. Zum zweiten Mal sagte ich den Cops, daß ich keine Ahnung hätte, wer es getan haben könnte.
Der eine der beiden machte sich Notizen auf seinem Clipboard. Auf seiner Nase waren rote Druckspuren von der Sonnenbrille, die er jetzt abgenommen
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