Flammen der Rache
sollen.«
Sämtliche Augenpaare richteten sich auf Rosa. Tante Rosa und Heirat schienen so überhaupt nicht zusammenzupassen, dass alle irritiert waren.
Sie genoss offenkundig die Aufmerksamkeit. »Mein Papa hatte die Hochzeit eingefädelt. Es war noch in der alten Heimat. Ich war siebzehn, und ich wollte nicht weggehen. Da gab es diesen Jungen in Brancaleone, der mich mochte.« Sie seufzte wehmütig. »Aber er hatte kein Geld, und mein Vater, nun ja … Er war niemand, dem man widersprechen würde. Und so reiste ich nach Amerika, um zu heiraten, aber was musste ich bei meiner Ankunft feststellen? Meine Cousine Constantina hatte sich von diesem Schwein Gaetano ein Kind machen lassen. Diese schmutzige kleine
troia
. Sie bekam Michael, ihren ältesten Sohn.«
»Der aktuelle Boss, oder?«, fragte Bruno.
»Ja. Constantina lebte schon seit Jahren in Amerika. Sie kam nicht frisch vom Schiff, so wie ich. Sie sprach Englisch, trug die richtige Kleidung, kannte die richtigen Tänze.« Rosa zuckte die Achseln. »Und sie war hübsch.«
Alle schauten betreten weg.
Sie räusperte sich. »Jedenfalls muss ich persönlich mit dem alten Mistkerl reden, wenn wir irgendetwas herausfinden wollen.«
»Vergiss es«, sagte Bruno. »Du wirst dich nicht mit ihm treffen.« Rosa tätschelte seine Wange, was seine Unruhe nur noch steigerte. »Ich meine es ernst!«
»Dessen bin ich mir sicher, Schätzchen«, sagte sie beschwichtigend. Sie nahm ihm Tonys Brief aus der Hand und strich ihn auf ihrem Knie glatt. »Was mit Magda passiert ist, hat Tony das Herz gebrochen.« Ihre Stimme klang erstickt. »Sie war ein sehr schönes Mädchen. Du siehst ihr so ähnlich, dass es mir in der Seele wehtut.« Sie kramte ihre Brieftasche heraus und zog ein Foto hervor, dann beugte sie sich zu Davy und Connor, damit sie es sich ansehen konnten. Sie brummten teilnahmsvoll. Danach zeigte sie es Aaro. »Das ist meine Magda. Brunos Mama. War sie nicht bezaubernd?«
Aaro warf einen Blick darauf und schnappte hörbar nach Luft. »Oh
Scheiße
!«
Er riss Rosa das Foto aus der Hand und sah es sich ganz genau an. Obwohl seine Stimme nicht laut war, lag ein Unterton darin, der alle mucksmäuschenstill werden ließ.
»Was ist?«, fragte Bruno besorgt.
»Diese Frau, die ich kennengelernt habe«, sagte Aaro, »und die dann gestorben ist.« Er hielt das Foto hoch. »Sie sah mit Ausnahme der Haare exakt aus wie diese hier. Es könnte dieselbe Person sein.«
Bruno starrte Alex Aaro an, während sich um sie herum Gemurmel erhob. »Meine Mutter ist seit achtzehn Jahren tot. Ich habe ihren Leichnam gesehen. Ich war dabei, als sie begraben wurde. Rede mir keine Hirngespinste ein.«
»Oh Gott, nein, ich wollte nicht andeuten, dass ich diese Frau für deine Mutter halte«, antwortete Aaro hastig. »Sie war erst Anfang zwanzig.«
»Dann muss es ein Zufall sein«, wandte Con ein, als hegte er wirklich diese absurde Hoffnung.
Das Stimmengewirr schwoll an. Jemand schnappte sich Tonys Brief. Rosa weinte geräuschvoll. Alle redeten durcheinander. Bruno war mit den Nerven am Ende. Die Stimmen verschmolzen zu einem sinnlosen, misstönenden Rauschen. Er konnte das Bild nicht ausblenden, von seiner Mutter in ihrem Sarg, ihr totes Gesicht mit Make-up zugekleistert, um die Blutergüsse zu verdecken. Der Anblick hatte sich mit sämtlichen schaurigen Details in sein Gedächtnis eingebrannt. Weder verblasste es mit der Zeit, noch ließ der Schmerz nach.
Er war all die vielen Jahre einem Irrtum aufgesessen. Tony und Kev hatten sich um Rudy und seine Schläger gekümmert, und Bruno hatte geglaubt, dass der Gerechtigkeit Genüge getan worden war. Doch tief in seinem Herzen hatte er immer gewusst, dass die Gerechtigkeit viel zu kurz gekommen war.
Eine Hand zupfte an seinem Arm. Lily. Ergeben stand er auf und ließ sich aus dem Zimmer führen. Er war dankbar, dass sie das Kommando übernahm.
Die Schiebetür glitt hinter ihnen zu. Lily legte ihm die Arme um die Taille und zog ihn an sich. Er legte sein Kinn auf ihren Kopf und achtete darauf, die Umarmung nicht zu stark zu erwidern. Sie war angeschlagen, verletzt und schwach.
Bruno wollte sich an sie klammern wie ein Kind. Er registrierte die dunklen Schatten unter ihren Augen. Sie hatte ihre erdbeerblonden Haare zu einem lockigen Pferdeschwanz zusammengebunden. Der Großteil ihrer Blutergüsse war unter ihrem Pullover verborgen, nur einer prangte violett unter ihrem Auge, und den hatte er ihr eigenhändig zugefügt, als er sie während
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