Flammen der Rache
seines gewalttätigen Albtraums auf die Nase geboxt hatte.
Es tat ihm weh, wie zerbrechlich sie wirkte. Wie erschöpft. Er hasste seine Ohnmacht. Dabei hatte er es wie ein Verrückter und mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, sie zu beschützen. Aber egal, wie sehr er sich auch anstrengte, es reichte nicht annähernd.
Die Tür wurde aufgeschoben, und Tam kam heraus. »Braucht ihr noch etwas?«, erkundigte sie sich. »Ein Schmerzmittel oder etwas zum Einschlafen?«
Sie schüttelten beide den Kopf.
»In Ordnung. Die frisch verliebtesten Turteltäubchen bekommen immer das Turmzimmer«, sagte sie. »Folgt mir. Auf euch warten eine Menge Treppenstufen, aber wer wird schon müde, wenn der Körper high vor Endorphinen ist?« Sie knuffte Bruno in den Arm. »Der Nachttisch ist immer mit Kondomen bestückt.«
»Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten«, zischte er.
Tam lachte leise, als sie ein Panel berührte, das daraufhin in die Wand glitt und den Blick auf eine Wendeltreppe freigab.
»Wage es nicht, diese Treppe hochzusteigen,
carissima
.«
Es war Val. Er stand in dem Lichtschein, der aus dem Wohnzimmer fiel.
Tam drehte sich mit blitzenden Augen zu ihm um. »Sei nicht so eine Glucke. Außerdem würde ich das sowieso nicht tun. Die Art von Gastgeberin bin ich nicht.«
»Ich werde auf dich aufpassen wie ein Puma«, sagte er mit seidiger, gespielt bedrohlicher Stimme, die von einem leichten Akzent gefärbt war.
Ein leises Lächeln spielte um Tams Lippen, als sie den Kopf schräg legte. »Ein Luchs«, berichtigte sie ihn. »Der korrekte Ausdruck heißt ›aufpassen wie ein Luchs‹.«
»Puma«, beharrte Val starrsinnig. »Pumas sind größer.«
Tam lachte. »Ach so. Und größer ist besser?«
»Allerdings. Bei dir nutze ich jeden Vorteil aus, der sich mir bietet. Ausnahmslos.«
»Männer«, spottete sie, bevor sie sich wieder zu Lily und Bruno umdrehte. »Handtücher findet ihr in dem Schrank vor dem Badezimmer. Gute Nacht.«
»Danke für alles«, sagte Lily.
Aber die beiden hörten sie schon nicht mehr. Val hatte Tam besitzergreifend in seine Arme gezogen und murmelte etwas in einer Sprache, die Bruno nicht zuordnen konnte. Tam verbarg ihr Lachen hinter ihrer Hand. Jede Geste, jedes Lächeln, jeder Blick erschuf einen Kokon der Intimität um die beiden herum – wie eine magische Privatsphäre, in der sie sich sicher fühlen konnten.
Bruno hatte nie gewusst, dass so etwas überhaupt existierte.
Und doch beneidete er die beiden plötzlich darum.
20
Über die Wendeltreppe gelangten sie in einen Raum, der Bruno unter anderen Umständen den Atem geraubt hätte. Er war achteckig, mit großen, dreieckigen Fenstern an allen Seiten, von denen jedes bei Tag einen anderen fantastischen Ausblick gewährte. Mit den schimmernden Holzvertäfelungen, den Sesseln und Sofas, die sich um einen Couchtisch gruppierten, und dem Flachbildfernseher erweckte das Zimmer einen unaufdringlich luxuriösen und behaglichen Eindruck. Eine schmiedeeiserne Wendeltreppe führte auf eine Galerie mit einem breiten Bett.
Bruno trat ans Fenster und starrte hinaus in die Nacht. Der Mond blinzelte durch ein Loch in der Wolkendecke und erleuchtete die wogende weiße Gischt, die tief unter ihnen an den langen Strand gespült wurde.
Lily schlang die Arme um seine Taille. »Möchtest du darüber sprechen?«
»Nein.« Das Wort klang schroff und war nicht das, was er hatte sagen wollen. Es war eine einprogrammierte Reaktion, die potenzielle Eindringlinge von seinem Innersten fernhalten sollte. Vergleichbar mit einer Alarmanlage, die losging, wenn jemand sich unbefugt Zutritt verschaffen wollte. Bruno konnte praktisch hören, wie sich die Rädchen in Lilys Kopf drehten, während sie überlegte, wie sie mit ihm umgehen sollte. Er beneidete sie nicht um die Aufgabe. Er konnte selbst nicht mit sich umgehen. Warum sollte sie es besser wissen?
»Ich habe meine eigene Mutter nie gekannt«, sagte sie.
Oje. Jetzt war er fällig. Er biss die Zähne zusammen. »Nein?«
»Sie und mein Vater hatten jahrelang versucht, ein Kind zu zeugen. Das war in den Anfangszeiten der künstlichen Befruchtung. Wie ich dir schon erzählt habe, hat mein Vater auf diesem Gebiet geforscht. Meine Mutter hat sich siebenmal einer In-vitro-Fertilisation unterzogen, bevor sie mit mir schwanger wurde.«
»Oh Mann«, murmelte er. »Ich bin froh über ihr Durchhaltevermögen.«
Lily schloss den Arm fester um ihn. »Süß, dass du das sagst. Meine Eltern
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