Flammen der Rache
Zack, bumm, und es war vorbei.«
Lily heftete den Blick auf Kev. Er erwiderte ihn ausdruckslos. »Was ist danach mit Rudy passiert?«, fragte sie.
Kev stand auf, schnappte sich zwei unbesetzte Stühle vom anderen Ende des Tischs und schleifte sie auf Brunos und Lilys Seite. Er nahm Rosa das mit Zuckerguss verschmierte Messer aus der Hand, legte es weg und schob einen Stuhl hinter sie.
»Setz dich, Tante«, sagte er.
Auch die anderen gesellten sich nun zu ihnen. Kev ließ sich ihnen gegenüber auf den anderen Stuhl sinken.
»Im Anschluss luden wir diese Typen auf die Ladefläche von Tonys altem Pick-up und bedeckten sie mit einer Plane«, sagte er. »Bruno und ich spritzten mit dem Schlauch das Blut in den Gully, während Tony mit ihnen davonfuhr.«
»Und mit dem Medaillon.« Lily klang, als hoffte sie inständig, jemand würde widersprechen.
Fehlanzeige.
»Und mit dem Medaillon«, bestätigte Bruno. »Rudy hatte es in die Tasche seiner Jeans gesteckt, aber Tony wusste nichts davon. Auch Kev hatte keine Ahnung. Und ich stand unter Schock.«
»Waren sie noch am Leben?«, fragte Lily zaghaft.
»Als wir sie aufluden, ja«, antwortete Kev. »Mehr oder weniger.«
»Allerdings hätten sie sich gewünscht, sie wären es nicht gewesen. Aus Rudys Schritt ragte eine Gabel.«
Jeder Mann im Raum zuckte instinktiv zusammen.
»Wie ich Tony kenne, bezweifle ich, das sie den Tag überlebt haben«, murmelte Kev.
Rosa schnaubte empört. »Nachdem sie Bruno attackiert hatten? Keine Chance.«
Bruno fühlte sich benommen. »Tante Rosa, hast du irgendeine Ahnung, wo Tony sie hingebracht haben könnte. Ich habe mich damals nicht getraut, ihn zu fragen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Du weißt ja, wie er war. Wann immer jemand in Schwierigkeiten steckte, wollte er sich allein darum kümmern – außerdem war ich eine Frau.« Sie verdrehte die Augen. »Tony sagte immer, dass drei Leute ein Geheimnis bewahren können, wenn zwei von ihnen tot sind. Er hat diese Kerle in irgendeinen Wald gebracht, sie abgeknallt wie tollwütige Hunde und in einem Loch verscharrt. Wir werden nie herausfinden, wo.«
»Er ist gegen sechs Uhr morgens weggefahren«, überlegte Kev laut. »Und erst am späten Abend zurückgekommen. Wir wissen weder in welche Richtung, noch wie weit er gefahren ist.«
Davy schnaubte. »Da kommt eine Menge Wald infrage.«
Alle kalkulierten niedergeschlagen, wie viel Wald genau.
»Er könnte sie zu seinem Grundstück gefahren haben«, überlegte Bruno. »Auf diese Weise wäre er ziemlich sicher gewesen, nicht zufällig entdeckt oder gestört zu werden.«
»Das stimmt«, pflichtete Kev ihm bei. »Aber auch das sind immer noch knapp sechzig Hektar unwegsames Gelände mit vielen steilen Hängen. Das ist ein riesiges Grabungsareal ohne jegliche Sicherheit, dass die Leichen tatsächlich dort sind.«
Bruno ließ entmutigt die Schultern hängen. »Mist. Endlich ein kleiner Hinweis, und schon wird mir auch diese Tür wieder vor der Nase zugeknallt. Ich wünschte, ich hätte gar nicht an das verfluchte Medaillon gedacht. Die Situation ist jetzt noch schlimmer als zuvor.«
»Für mich nicht«, wandte Lily ein.
Bruno schaute auf. Ihre Augen leuchteten. »Denn nun weiß ich endlich, dass ich nicht verrückt bin«, sagte sie. »Und ihr wisst jetzt, dass ich nicht lüge. Das bedeutet mir sehr viel, Bruno. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel.«
Er versuchte, den Knoten alter Trauer in seiner Kehle herunterzuschlucken. »Davon war ich längst überzeugt.«
Ihr Lächeln ließ sein Herz höher schlagen. »Das weiß ich, und ich danke dir. Trotzdem ist es schön, einen Beweis zu haben. Das gibt mir das Gefühl, als wäre das Ganze nicht doch irgendwie allein meine Schuld.«
»Das habe ich nie gedacht.«
Ihre Hände fanden einander und verschränkten sich fest. Ehrfürchtiges Staunen erfüllte Bruno.
Plötzlich tauchte Rachels Lockenkopf unter seinem Arm hindurch und zwischen ihnen auf. Sie hielt ihm ihre Plastikkette hin. »Du hast dein Medaillon verloren? Du kannst meins haben, wenn du möchtest.«
Der Knoten in Brunos Kehle wurde so groß, dass er nicht mehr sprechen konnte. Rachels riesige Augen blickten ihn durch die Brille besorgt und voller Unschuld an. Es brachte sein emotionales Fass beinahe zum Überlaufen.
Er drückte die Kleine an sich und verbarg sein heißes Gesicht in ihrer dunklen Mähne, während er darum kämpfte, nicht komplett zusammenzubrechen.
»Danke, Mäuschen«, sagte er mit belegter Stimme.
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