Flammen im Sand
Wenn
nicht, war es über fehlende Zähne, Brücken oder Füllungen möglich, einen Toten
mit absoluter Gewissheit zu identifizieren.
»Polizeidienststelle Westerland, Kommissar Kretschmer!«, hörte er da
Sörens Stimme erneut. »Wurde in Ihrer Praxis jemals eine Frau namens Elske
Pedersen behandelt?«
Kurz darauf erschien Sören vor Eriks Schreibtisch. »Elske Pedersen
war Patientin bei dem alten Dr. Diemeler«, verkündete er.
»Schon seit ihrem zehnten Lebensjahr! Dr. Diemeler hat Röntgenaufnahmen
von ihrem Gebiss.«
Erik nickte zufrieden. »Dann wissen wir also bald Bescheid.«
»Ich werde Dr. Hillmot Beine machen«, meinte Sören grinsend.
»Notfalls drohe ich ihm damit, Ihrer Schwiegermutter zu erzählen, dass er
unsere Arbeit behindert. Und dass er dann nie wieder Pfefferfleisch bekommt!«
Sören stand auf und ging zur Tür. »Wäre das in Ordnung?«
»Vollkommen in Ordnung!«
»Darf ich ihm auch versprechen, dass er noch einmal in den Genuss
der italienischen Küche kommt, wenn er zügig arbeitet?«
»Auch das ist in Ordnung. Meine Schwiegermutter wird entzückt sein,
wenn sie hört, was ihre Kochkunst so alles bewirkt.«
Aber natürlich würde er ihr kein Sterbenswörtchen davon verraten,
sonst würde es wieder diese überdimensionale Beglückung geben, die sie nicht
selten an ihrem Schwiegersohn auslieÃ, der sich dann von ihr herzen und küssen
lassen musste. An vieles hatte Erik sich mittlerweile gewöhnt, aber wenn Mamma
Carlotta vor Glück überschäumte, hielt er sich nicht gern in ihrer Gegenwart
auf.
Die Tür öffnete sich, und Polizeiobermeister Rudi Engdahl trat ein.
In Händen hielt er ein Fax, auf dem der Kopf der Staatsanwaltschaft prangte.
»Frau Dr. Speck
hat eine Liste geschickt mit den Einbrüchen in Juweliergeschäfte im letzten
halben Jahr.« Er legte Erik das Fax auf den Tisch. »Per Mail bekommen Sie Fotos
von den Uhren, die gestohlen worden sind.«
Erik las das Fax der Staatsanwältin zweimal, dann strich er sich
erst einmal ausgiebig seinen Schnauzer glatt. Er grinste leicht, als er zu Rudi
Engdahl sagte: »Ihre neue Uhr ist übrigens höchst verdächtig. Zeigen Sie mal
her. Die Staatsanwältin möchte, dass ich Menschen auf die Spur komme, die
gestohlene Luxusuhren tragen.«
Rudi Engdahl hielt Erik sein Handgelenk hin. »Eine Rolex!«
»Eine Rolex? Bei Ihrem Gehalt?«
Engdahl lachte kaum hörbar, wie es seine Art war. »Ein Plagiat
natürlich. Hat mir ein Freund aus New York mitgebracht.«
»Kann ja jeder sagen«, meinte Erik.
Und Sören ergänzte: »Wie soll man das auf den ersten Blick
erkennen?«
Nun wurde Engdahl ärgerlich. »Wenn nicht auf den ersten, dann eben
auf den zweiten. Ich habe jedenfalls keine geschmuggelte Luxusuhr am Arm.« Er
ging zur Tür und drehte sich dort um. »Ãbrigens ⦠die Staatsanwältin kommt
übermorgen nach Sylt. Das soll ich Ihnen ausrichten. Faxen und mailen reicht
ihr anscheinend nicht. Angerufen hat sie auch noch.«
Erik fuhr hoch. »Ãbermorgen ist Biikebrennen!«
»Deswegen kommt sie«, gab Engdahl zurück. »Sie hat Verwandte auf
Sylt. Einen Schwager. Der hat sie zum Biikebrennen eingeladen. Bei dieser
Gelegenheit will sie mit Ihnen reden.«
Als die Tür hinter Rudi Engdahl ins Schloss gefallen war, sahen Erik
und Sören sich deprimiert an. »Ich habe noch nie gehört«, sagte Erik, »dass die
Staatsanwältin Verwandtschaft auf Sylt hat.«
Sören stöhnte auf. »Vielleicht sind sie erst kürzlich nach Sylt
gezogen?«
»Oder haben sich hier eine Ferienwohnung gekauft.«
»Die sie der Staatsanwältin womöglich zur Verfügung stellen, wenn
sie billig Urlaub machen will?«
»Das würde ja bedeuten, dass wir sie, wenn sie Urlaub macht, noch
öfter sehen als sonst.«
Erik strich sich seinen Schnauzer glatt, Sören kippelte mit seinem
Stuhl. Und beide sahen so unglücklich aus, als hätte die Staatsanwältin
angekündigt, von nun an jeden Morgen mit ihnen frühstücken zu wollen.
Carolin war mit der Empfehlung von Yvonne Perrette nach
Hause gekommen, den Entwurf von Sörens Hemd noch einmal zu überdenken. »Sie
meint, es wäre besser, komplett vom üblichen Design der Herrenhemden abzuweichen«,
sagte Carolin. »Schon deswegen, weil die
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