Flammenbucht
entdeckte am Ende des hölzernen Standes, hinter dem sie kauerte, einen wohl vierzigjährigen bärtigen Mann mit einem rundlichen Gesicht. Sein rotes Haar glänzte im Sonnenlicht, und von gleicher Farbe war das Gewand, das er trug. Es handelte sich offenkundig um einen troublinischen Kaufmann. Mißmutig rümpfte die Käppnerin die Nase. Der Fremde hatte aus einem der Körbe, die auf dem Tisch standen, eine dunkelblaue Kappe hervorgeklaubt, mit der er nun vor ihrem Gesicht herumwedelte. »Dieser Hut - wieviel kostet er, junge Dame?«
Die Käppnerin schnappte entrüstet nach Luft. Sie war eine wohl sechzigjährige Frau, auch wenn ihr Alter aufgrund des wettergegerbten Gesichtes schwer zu schätzen war. Sie saß auf einer Bank hinter dem Marktstand, eingehüllt in eine braune Decke, unter der sich ihre ausladenden Hüften wölbten; denn die Käppnerin war über die Jahre träge geworden und erhob sich nur ungern von ihrer Holzbank, auf der sie tagein, tagaus ihre Waren feilbot.
Der Fremde strich über den glatten Stoff der Kappe. »Eine hervorragende Arbeit. Habt Ihr diesen Hut selbst gefertigt?«
Die Käppnerin verkroch sich noch tiefer unter ihre Decke, ohne den Fremden aus den Augen zu lassen. »Das«, nuschelte sie, »ist kein Hut!«
Der Troublinier blickte sie verdutzt an. »Das ist kein Hut?«
»Nein«, erwiderte die Käppnerin, »ist es nicht. Es ist eine Area. Eine Fischerhaube.«
Aelarian Trurac, Großmerkant des Gildenrates von Troublinien, betrachtete die Kappe voller Interesse. »Natürlich, wie dumm von mir! Ich habe bereits von dieser traditionellen Kopfbedeckung der Morthyler gehört. Daß sie so kleidsam ist, hätte ich allerdings nicht für möglich gehalten.« Er strahlte die Käppnerin an. »Was meint Ihr, ob mir diese Area wohl steht?«
»Ich verkaufe nicht«, nuschelte die Käppnerin. Ihr zerfurchtes Gesicht verriet keine Regung. »Was soll das heißen, Ihr verkauft nicht?« rief Aelarian. »Ist dies ein seltenes Einzelstück? Ein persönliches Andenken?«
»Nein«, erwiderte die Käppnerin. »Ich verkaufe nicht an Euch.«
»Auch nicht, wenn ich einen guten Preis biete?« Aelarian nestelte einen Geldbeutel aus der Tasche seines Gewandes hervor, in dem mehrere Münzen verheißungsvoll klimperten.
»Ich verkaufe nicht an Euch«, wiederholte die Frau störrisch. »Noch nie habe ich eine Area an Fremde weitergegeben.« Sie kratzte sich ungeduldig am Kinn, auf dem einige Haare sprossen.
»Hört, hört, eine Frau mit Prinzipien«, lobte Aelarian. Er steckte das Geldsäcklein zurück in die Tasche. »Offenbar haltet Ihr wenig von Reisenden, die nach Galbar Are kommen, um die Schönheit der Morthyler Frauen zu bewundern.«
Die Käppnerin gab keine Antwort. Mißtrauisch starrte sie auf die Tasche des Großmerkanten. Für einen Moment, so schien es ihr, hatte sich der rote Stoff bewegt. Und sie hatte sich nicht getäuscht! Ein zottiges Tier schnellte aus der Tasche, hakte sich mit scharfen Krallen am Gewand fest und huschte zum Kragen seines Herrn empor.
»Dabei müßtet Ihr Fremde gewohnt sein«, säuselte der Großmerkant. »Ihr sitzt schließlich an einer Stelle, von der aus sich der gesamte Hafen von Galbar Are überblicken läßt.« Er wandte den Kopf und wies auf die Treppe, die zu den Stegen hinabführte. »Welch herrliche Aussicht! Ihr könnt die weißgestrichenen Handelskontore sehen; die Straße vor dem Ankerplatz, auf der sich die Seeleute tummeln; die Mauern, die das Hafenbecken umfassen… und all die Schiffe! Dort erkenne ich auf den Segeln den Krebs, das Wahrzeichen Morthyls; das müssen die Karacken Eures Fürsten Perjan Lomis sein. Welch eindrucksvolle Kriegsschiffe! Denen wird kein Pirat zu nahe kommen.« Das garstige Tier war unterdessen am Arm des Großmerkanten herabgeklettert und kauerte nun auf dessen Handgelenk, wo es sich mit den Pfoten die dunkle Schnauze putzte. »Seht Ihr das große Segelschiff am Ankerplatz, dessen Bug von der Hafentaverne verdeckt wird? Dies, schöne Dame, ist das Schiff, auf dem ich nach Morthyl gekommen bin - ein Schiff der Großgilde von Troublinien, der ich die Ehre habe anzugehören.« Er kraulte zärtlich den Kopf des Pelztieres, das behaglich zu schnurren begann. »Doch was rede ich! Ihr habt sicher genügend troublinische Schiffe in Eurem Leben gesehen. Schließlich könnt Ihr von hier aus jedes Schiff erspähen, das im Hafen von Galbar Are anlegt. Ihr könnt beobachten, welche Waren ein- oder ausgeladen werden, und jeder Ankömmling muß an
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