Flederzeit - Riss in der Gegenwart (Historischer Roman): 2 (German Edition)
aufgerissene Maul der Fledermaus.
Die quietschte auf – und biss zu.
Endlich! Erleichtert atmete Matthias auf.
Aber nun? Er lauschte in sich. War der Zeitsprung zu fühlen? Riss etwas an ihm? Brauste, rauschte, dröhnte es irgendwie in oder um ihn?
Doch bis auf den eigentümlichen Geruch, der noch einmal deutlich an Intensität zugenommen hatte, war alles wie zuvor.
Es hatte also nicht geklappt. Enttäuscht öffnete er die Hand, warf die Fledermaus in die Luft, wo sie sofort die Flügel ausbreitete und in der Dunkelheit verschwand.
Wenn noch nicht einmal ein Biss half!
Ihm war schwindelig, er fühlte sich, als wankte er. Hastig machte er einen Ausfallschritt zu Seite. Dieser widerliche Gestank! Wieder würgte es ihn im Hals. Es bereitete ihm Mühe, den Lichtkegel der Lampe ruhig zu halten und die Fledermaus zu suchen.
Doch da – er hatte sie! Sie torkelte mühsam durch die Luft.
Genauso fühlte Matthias sich, benommen.
Sein Kopf klarte sich jedoch schlagartig auf, als die Fledermaus abermals aus dem Lichtkegel verschwand, einfach weg war. Nur um im nächsten Moment wieder aufzutauchen. Weg – da, hin, her.
Matthias hatte keine Sekunde lang Zweifel daran, was er hier sah: Die Fledermaus flackerte. Sie schwankte zwischen jetzt und einer anderen Zeit.
„Nimm mich mit!“ Mit einem Satz war er wieder dort, wollte sie fassen, sobald sie wieder auftauchte, streckte schon die Hand aus.
Es dauerte. Und dauerte. Und dauerte immer noch, als Matthias endlich die Hand sinken ließ. Sie war weg. Die Gelegenheit vertan.
Er wandte sich ab, es war vorbei.
Was jetzt? Die Chance, dass sich wiederholte, was er soeben erlebt hatte, schätzte er sehr gering ein. Vielleicht war es besser, er ließ es für heute sein, probierte morgen wieder sein Glück. Elend genug dazu fühlte er sich, irgendwie – wie betäubt.
Er suchte mit dem Taschenlampenstrahl nach dem Durchgang – als ihm der Atem stockte.
Ein Mann. Da stand ein Mann.
Matthias keuchte auf, plötzlich Galle im Hals, als er erkannte, wer ihm da, lässig die Füße übereinandergeschlagen, entgegenblickte.
„Du widerlicher Mistkerl!“
Iven. War ihm gefolgt. War hier. Wollte er auch in die Vergangenheit? Reichte es ihm etwa nicht, die Gegenwart an sich gerissen zu haben? Hatte Lida doch von der Flederzeit erzählt? Matthias sah rot. Im wahrsten Sinne des Wortes. Iven mochte die Gegenwart gehören - die Vergangenheit würde er nicht bekommen. Niemals! Mit geballter Faust stürzte Matthias sich auf den Rivalen.
Es krachte beeindruckend, als die auf Ivens Nase aufprallte. Der schrie auf, sackte rückwärts.
Doch schon im nächsten Moment war er wieder da und ließ seine Fäuste auf Matthias niederprasseln. Kinn, Ohr, Schläfe.
Schwärze.
Der Knappe und die Prinzessin
Vergangenheit – Heuert Anno 1293
„ I ch gehe nach Ernberg“, setzte Mila den die ganze Zeit hinter ihr her schweigenden Heinrich über die Schulter in Kenntnis, als die Stelle in Sicht kam, an der man sich entscheiden musste, ob man ins Tal und auf die Straße zur Burg oder über den Berg zu ihren Hütten wollte.
Erwartungsgemäß gab der junge Mann einen – sehr zurückhaltenden – Laut des Widerspruchs von sich, und sie hörte, wie er ein paar Schritte lief, um sie einzuholen. Das Pferd, das er am Zügel führte, verlor prompt den Halt im losen Geröll, tänzelte und wieherte nervös.
Vorsichtshalber wurde Mila noch schneller, bereit, loszusprinten, falls der junge Mann sich weigern würde, sie gehen zu lassen.
Er aber stammelte nur unsicher. „Der Junker sagte aber doch, ich solle dich nach Hause ...“
„Ich habe noch etwas zu erledigen, bevor ich nach Hause kann“, unterbrach Mila ihn mit extra harscher Stimme. „Und zwar in Ernberg. Was ja auch für dich viel bequemer ist, schließlich musst du sowieso dorthin.“
„Aber ich ...“
„Entweder du kommst mit – oder du gehst allein hinauf zu meiner Tante.“ Ihren unaufhaltsamen Abschied zur Schau stellend, winkte Mila ihm noch einmal zu und bog in den Pfad Richtung Ernberg ein.
„Warte!“ Wiederum rutschte das Pferd hörbar, als es unsanft vorangezogen wurde. „Der Junker kann ja nicht verlangen, dass ich dich zwinge, oder?“
Wollte er eine Antwort darauf? „Ich lasse mich von Johann zu überhaupt nichts zwingen“, behauptete sie dreist. Und ihr Sieg über ihn vorhin untermauerte das doch eigentlich sehr eindrucksvoll.
Der Junge nahm es auch ohne Widerworte hin. Befasste sich stattdessen mit dem
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