Flederzeit - Riss in der Gegenwart (Historischer Roman): 2 (German Edition)
Pferd, dem das zunehmende Gefälle nicht gefiel, es sträubte sich sichtlich, wollte zur Seite weg. Er murmelte beruhigend auf es ein, klopfte ihm die Seite, streichelte es mit einer Sanftheit, die angesichts seines kräftigen Körperbaus erstaunlich anmutete. Er war aber auch wirklich sehr lieb zu dem Tier. Ob Johann ihm das eines Tages austreiben würde?
Mila, ein paar Schritte voraus, ließ sich zurückfallen, um ihn unauffällig mustern zu können. Er trug ein fremdes Wappen auf seinem Hemd, kam also aus gutem Hause. Eigentlich müsste sie ihn standesgemäß mit 'Ihr' anreden. Andererseits war er offensichtlich jünger als sie und wurde ja erst zum Ritter ausgebildet. Und er benahm sich nicht gerade so, als wäre er gewohnt, mit Untergebenen umzugehen. Hm. Dass er seine Schüchternheit gegenüber Frauen nicht überspielte, indem er sich zum großen Herrn aufplusterte, nahm sie irgendwie für ihn ein.
Sie wartete, bis er auf ihrer Höhe angekommen war, und fragte ihn freundlich: „Bist du schon lange auf Ernberg?“ Sowieso konnte es doch auch nicht schaden, sich in ihm einen Verbündeten zu schaffen. Dass sie erst jetzt darauf kam!
Zuerst bedeutete er ihr, wiederum vorzugehen, dann antwortete er. „Seit dem Dreikönigstag.“
Höflich und wohlerzogen. Aber knapp. Na gut. „Und woher kommst du?“
„Aus Tarrenz.“
Auf nähere Erläuterungen wartete sie vergeblich. „Und von wo genau?“
„Mein Vater – und mein ältester Bruder nach ihm – ist der Graf von Starkenberg.“
Aha. „Hat deine Familie auch eine Burg?“
„Ja.“
Mensch, Junge, bist du gesprächig! „Bestimmt größer und wichtiger als Ernberg, oder?“
„Aber nein. Altstarkenberg liegt zwar auch recht günstig, aber wenn Ernberg erst fertig ist, wird es größer und wichtiger sein.“
Bescheiden und ritterlich. Weißt du, mir gegenüber musst du die Burg nicht loben, schluckte Mila hinunter. Aber mit mir reden, das sollst du. „Und? Wie gefällt es dir hier?“
„Sehr gut.“
Na gut, diese Frage hatte sie wirklich unglücklich gestellt. „Wie gefällt dir der Junker Johann? Oder bist du normalerweise Graf Meinhard direkt unterstellt?“
„Nein, nein, ich diene jetzt dem Junker.“
Mila verdrehte die Augen. War ja klar, dass er sich zu mehr als einer Antwort nicht hinreißen ließ. „Und wie gefällt dir der Junker?“, wiederholte sie in mühsam geduldigem Ton.
„Der Junker ist ein guter Mann, ich lerne sehr viel bei ihm.“
Hatte er die Zähne zusammengebissen? Jetzt jedenfalls tat er es. Und dachte nicht daran, mehr zu sagen. Was lernst du denn? , hätte Mila fast beharrt – und sich bei diesem Jungen wahrscheinlich nicht einmal lächerlich gemacht mit einer solch dummen Frage. Denn selbstverständlich wusste sie, was angehende Ritter lernen mussten. Dieser jedoch hätte ihr gewiss bierernst sämtliche Ausbildungsinhalte heruntergeleiert. „Wolltest du schon immer Ritter werden?“ Nachdem sie das ausgesprochen hatte, wurde ihr bewusst, dass auch das eine blöde Frage war, denn wenn seinem Vater eine Burg unterstellt war, lag das ja wohl nahe.
„Natürlich“, war die entsprechende Antwort – der allerdings weder Ungeduld noch Herablassung anzumerken war.
Sollte Mila noch einen Versuch machen, diesen einsilbigen Genossen irgendwie aus seiner Schüchternheit zu locken? Also gut, einen noch. „Möchtest du später als Ritter durch die Lande ziehen, oder kehrst du zu deinem Vater zurück?“
„Ich werde umherziehen müssen.“
Fertig? Natürlich, fertig. Du liebe Güte, jetzt reichte es ihr. Genervt beschleunigte sie, um ihn erst einmal abzuhängen. Sollte er doch weiter schweigen – sie würde ihn in Ruhe lassen.
Ruhe – herrschte für etwa zehn Schritte. Dann platzte er hinter ihr aus heiterem Himmel heraus: „Warum willst du ihn nicht?“
„Was?“ Verblüfft war Mila zu ihm herum geschnellt und starrte ihm ins Gesicht.
Welches plötzlich wieder mit knallroten Flecken der Erregung übersät war. Sie konnte ihm ansehen, welch Überwindung es ihn kostete. Und doch sprach er weiter. „Den Junker. Er liebt dich. Und du ... hast ihn abgewiesen.“
Äh ... Das durfte wirklich nicht wahr sein, dass sie sich dies sogar von diesem unsicheren Gesellen anhören musste! „Das geht dich ja wohl einen feuchten Kehricht an“, fauchte sie.
Die Art, wie er ihren Blick erwiderte, machte sie stutzig. Er musste dafür seinen ganzen Mut zusammennehmen, das war ihm deutlich anzumerken. Sein Adamsapfel hüpfte, als
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