Flederzeit - Riss in der Gegenwart (Historischer Roman): 2 (German Edition)
ich wieder wach, du wirst sehen.“
„Nein, ich muss doch nicht ...“
„Es ist nur gerecht. Immerhin bist du doch auch den ganzen Tag hin- und hergelaufen.“ Ihr fiel ein, dass es sie brennend interessiert hätte, wieso die beiden Wächter nach ihrer Flucht so rasch zur Höhle zurückgekehrt waren. Sie mussten Johann in die Arme gelaufen sein. Hatte der sie unter Druck gesetzt? Oder ihnen lediglich ein neues Amulett gegeben, das sie gegen Pfeffer sprühende Dämonenfrauen schützen würde? Waren Heinrich und sie vertraut genug, dass sie ihn das fragen konnte?
Mit einem flüchtigen Lächeln für Mila schwang er sich in den Sattel – doch schon im nächsten Moment verschloss sich seine Miene wieder. Die Gelegenheit für ein neues Gespräch war offensichtlich vorbei.
Tief Luft holend, schritt Mila neben dem Pferd schneller aus. Sie konnte dessen Wärme spüren, das Spiel seiner Muskeln. Doch, es war angenehm, so durch die Nacht zu wandern – zudem auf der breiten Straße, wo es keine Hindernisse gab als hie und da ein Schlagloch. Denen auszuweichen kostete keine Mühe, wurde das breite Tal doch vom satten Licht des zunehmenden Mondes erhellt.
Sie drehte sich so, dass sie ihn sehen konnte. Übermorgen war Vollmond. Der zweite, seit Mattis weggeflackert war.
Es ist derselbe Mond, den er sieht , dachte sie plötzlich. Der jeden Abend über der Welt aufgeht, seinen Lauf durch den Himmel nimmt und morgens untergeht. Derselbe Mond, der alle Zeiten miteinander verbindet ...
Wie war es trotzdem möglich, dass die Zeit zu allen Zeiten anders verging? Für Brigitte langsamer, für Frank schneller. Wie würde das bei Mattis sein? Wird er am Ende Jahre, Jahrzehnte ohne mich leben? Wie lange wird er sich an mich erinnern? In Mila verkrampfte sich alles. Oder werde ich eine alte Frau sein, wenn er kommt – während für ihn nur ein paar Wochen vergangen sind?
„Jetzt hast du mich in der Hand, das ist dir klar, oder?“, sickerte da Heinrichs Stimme in ihre Gedanken.
Mila fuhr zu ihm herum.
Bedrückt sah er aus. Offenbar war das der Gedanke, mit dem er sich schon die ganze Zeit herumplagte. „Schlimmer noch“, sprach er mit düsterer Stimme weiter. „Nicht nur ich bin dir ausgeliefert, sondern auch Helene. Wenn sie wüsste, dass ich ausgerechnet die Kebse ihres Ehemannes ...“
Der Arme! Das hatte sie nicht gewollt, als sie ihm sein Geheimnis entlockt hatte. „Mach dir keine Sorgen, ich werde euch nicht verraten, ehrlich.“ Sie fasste nach dem Zügel des Pferdes und blickte zu Heinrich auf. „Das kann ich gern schwören, wenn du dich dann besser fühlst.“
Der grinste schief auf sie hernieder. „Naja, du bist als eine Frau verschrien, die keinen Dämon der Welt fürchtet. Worauf könntest du schwören?“
So ganz ernst hatte er das nicht gemeint. Dennoch, im Kern hielt er es doch für wahr.
„Ich habe mit Dämonen nichts zu tun“, verteidigte Mila sich, gelinde genervt. „Ich glaube an Gott, den Allmächtigen. Ich achte seine zehn Gebote. Und ich halte mich an mein Wort. Hast du einen Rosenkranz dabei?“
Wiederum erschienen Flecken in seinem Gesicht, ganz dezent diesmal – während er in den Ausschnitt seines Hemdes griff und tatsächlich einen Rosenkranz zutage beförderte, den er um den Hals trug. Fast verschämt zeigte er ihn Mila.
Es war ein erstaunlich zarter und edler, mit zierlichen, eindeutig nicht hölzernen Perlen und einem wunderschön verarbeiteten, mit kleinen bunten Edelsteinen besetzten Kreuz. Das kleine Amulett in der Mitte, das die Jungfrau Maria zeigte, war ebenfalls aus winzigen Edelsteinsplittern zusammengesetzt.
„Das ist Helenes, oder?“ Auf Zehenspitzen, eine Hand am Sattel, bewunderte Mila das kunstvoll gearbeitete Stück.
„Sie wollte tauschen“, hauchte Heinrich, im Geiste offenbar in Erinnerung an diesen innigen Moment mit seiner Angebeteten. Ganz in Gedanken richtete er sich wieder auf, sodass der Rosenkranz aus Milas Reichweite geriet. „Seitdem trägt sie meinen aus Holz ...“ Auf ihrer Haut, klang da mit.
Mila bekam Gänsehaut.
Heinrich straffte sich, holte Luft. „Du brauchst nicht zu schwören“, entschied er dann und ließ Helenes Rosenkranz wieder unter sein Hemd gleiten. „Aber du könntest mir im Gegenzug von dir erzählen. Was hast du vor auf Ernberg?“ Forschend nun, sah er auf sie herunter. „Es hat nichts mit Junker Johann zu tun. Euer Sohn ist zu Hause. Wenn du so scharf darauf bist hinzukommen – dann muss es mit dem anderen Mann
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