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Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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erregt.
     
    Er konnte gut begreifen, was ihn so anziehend machte. Wenn ein Mann mit den Toten arbeitet, geht dabei ein Teil des Totengeheimnisses auf ihn über. Trotz seiner Sommersprossen und seines jungenhaften Aussehens, trotz seines bezaubernden Lächelns und seiner humorvollen Art fühlten manche Frauen dennoch etwas Rätselhaftes und Geheimnisvolles bei ihm. In ihrem Unterbewußtsein waren sie überzeugt davon, in seinen Armen könnten sie nicht sterben, so als würden seine Dienste ihm (und jenen, die ihm nahestanden) einen besonderen Status verleihen. Jene atavistische Phantasievorstellung glich einer geheimen Hoffnung vieler Frauen. Deshalb heirateten sie auch oft Ärzte, weil sie in ihrem Unterbewußtsein überzeugt davon waren, ihre Männer würden sie vor allen gesundheitlichen Gefahren dieser Welt beschützen. Und während sich Avril Tannerton in Santa Rosa mit Helen Virtillion im Bett vergnügte, lag Bruno Fryes Leiche den ganzen Samstag allein in einem leeren Haus. Am Sonntagmorgen, zwei Stunden vor Sonnenaufgang, herrschte im Bestattungsinstitut plötzlich reger Betrieb, aber Tannerton war nicht da und konnte nichts wahrnehmen. Die Deckenbeleuchtung in dem fensterlosen Arbeitsraum wurde abrupt eingeschaltet, aber Tannerton war nicht da und konnte nichts sehen.
    Der Deckel des bereits verschlossenen Sarges wurde entriegelt und zurückgeworfen. Schreie der Wut und des Schmerzes erfüllten den Arbeitsraum, aber Tannerton war nicht da und konnte nichts hören.
     
    Um zehn Uhr am Sonntagmorgen stand Tony in seiner Küche und trank ein Glas Grapefruitsaft. Plötzlich klingelte das Telefon. Es war Janet Yamada, die Frau, die auf seine Vermittlung hin gestern abend mit Frank Howard ausging. »Wie war's denn?« fragte er.
     
    »Wunderbar, ganz wunderbar!« »Wirklich?«
    »Ehrlich. Er ist so lieb.« »Frank ist lieb?«
    »Du hast gesagt, er könnte irgendwie kühl sein, schwer zu knacken, aber so war er nicht.« »Nein?«
    »Er ist so romantisch.« »Frank?« »Wer sonst?«
    »Frank Howard – romantisch?«
    »Heutzutage findet man nicht mehr viele Männer, die einen Sinn für Romantik haben«, meinte Janet. »Manchmal glaube ich sogar, Romantik und Kavalierstum wären gänzlich verschwunden, als die sexuelle Revolution und die Frauenrechtsbewegung einsetzten. Aber Frank hilft einem noch in den Mantel, hält Türen auf, rückt einem den Stuhl zurecht, all das. Er hat mir sogar wunderschöne Rosen mitgebracht.« »Ich dachte, ihr hättet vielleicht Schwierigkeiten, miteinander ins Gespräch zu kommen.«
    »O nein. Wir haben eine ganze Menge gemeinsamer Interessen.«
    »Was denn?« »Zum Beispiel Baseball.«
    »Ja, stimmt! Ich habe ganz vergessen, daß du Baseball magst.« »Ich bin geradezu süchtig danach.«
    »Also habt ihr den ganzen Abend über Baseball gesprochen.« »O nein«, betonte sie. »Wir haben uns über eine Menge Dinge unterhalten, Kino ... «
    »Kino? Willst du mir weismachen, Frank sei ein Kinofan?« »Er kennt die alten Bogart-Filme in- und auswendig. Wir sprachen gegenseitig die Lieblingsdialoge.« »Ich habe drei Monate lang versucht, mit ihm über Filme zu reden und er hat kein einziges Mal den Mund aufgemacht«, bemerkte Tony.
    »Die neueren Filme kennt er nicht, aber heute abend gehen wir in einen.« »Du triffst ihn also wieder?«
    »Ja. Ich wollte dich nur anrufen und dir dafür danken, daß du uns zusammengebracht hast«, meinte sie. »Bin ich nun ein erstklassiger Kuppler oder nicht?« »Ich wollte auch, daß du weißt, daß ich ihm auf keinen Fall Schwierigkeiten machen werde, auch wenn es mit uns nicht klappt. Er hat mir von Wilma erzählt. Schreckliche Geschichte! Ich wollte dir nur sagen, daß mir bewußt ist, wie weh sie ihm getan hat und daß ich mir große Mühe geben werde, ihn nicht zu verletzen.«
    Tony staunte. »Er hat dir gleich bei eurem ersten Treffen von Wilma erzählt?«
    »Er sagte, früher hätte er nicht darüber reden können, aber du hättest ihn gelehrt, mit seiner Reizbarkeit fertigzuwerden.« »Ich?«
    »Er sagte, nachdem du ihm geholfen hättest, das alles zu akzeptieren, könnte er jetzt besser darüber reden, ohne daß es wehtäte.«
    »Ich habe doch nur dagesessen und zugehört, als er sich die Geschichte von der Seele redete.« »Er hält große Stücke auf dich.«
    »Frank versteht sich verdammt gut darauf, Leute zu beurteilen, nicht wahr?«
    Später, noch immer freudig überrascht über den guten Eindruck, den Frank bei Janet Yamada hinterließ, und

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