Flüstern in der Nacht
machen, aber zu den lukrativsten Artikeln in der Drogenszene gehörten sie nicht mehr. Nach Auskunft der Rauschgiftabteilung mußte Bobby, falls er sich in dieser Szene betätigte, als Pusher direkt an die Endverbraucher verkaufen, also am unteren Ende der Produktions- und Vermarktungskette stehen. Bei seiner Entlassung vergangenen April hatte er keinen Penny besessen; um Rauschgift herstellen oder importieren zu können, brauchte man beträchtliches Kapital. »Ihr solltet euch nach einem ganz gewöhnlichen Straßenhändler umsehen«, erklärte Quevedo Tony und Frank. »Sprecht mit anderen Dealern«, fügte Hammerstein hinzu. »Wir geben euch eine Liste mit Namen und Adressen. Das sind alles Typen, die schon einmal wegen Rauschgifthandels brummten. Die meisten haben vermutlich ihr Geschäft wieder aufgenommen, wir konnten sie nur noch nicht wieder erwischen. Ihr müßt ein wenig Druck ausüben. Über kurz oder lang findet ihr bestimmt einen, der schon mit Bobby zu tun hatte, und der weiß, wo er untergetaucht ist.« Auf der Liste, die Quevedo und Hammerstein ihnen aushändigten, standen vierundzwanzig Namen. Drei der ersten sechs Typen waren nicht zu Hause. Die anderen drei schworen, Bobby Valdez oder Juan Mazquezza oder sonst jemanden, der dem Gesicht auf dem Fahndungsfoto glich, nicht zu kennen.
Der siebente Name auf der Liste gehörte Eugene Tucker, und der konnte ihnen helfen. Sie brauchten ihn nicht einmal unter Druck setzen.
Die meisten Schwarzen hatten in Wirklichkeit eher braune Hautfarbe; aber Tucker war wirklich schwarz. Sein breites, glattes Gesicht wirkte so schwarz wie Teer. Seine dunkelbraunen Augen schienen viel heller als seine Haut. Er trug einen buschigen schwarzen, mit krausen weißen Härchen durchsetzten Vollbart. Diese wenigen grauen Flecken bildeten, abgesehen vom Weiß seiner Augen, den einzigen Lichtblick an ihm. Er trug auch schwarze Hosen und ein schwarzes Hemd, war kräftig gebaut, mit einem mächtigen Brustkasten, muskelbepackten Armen, und einem Hals, so dick wie ein Poller im Hafen. Er sah aus, als würde er übungshalber Eisenbahnschwellen knacken – oder vielleicht einfach, weil es Spaß machte.
Tucker wohnte in einem teuren Stadthaus in den Hollywood Hills, in einer geräumigen, knapp, aber geschmackvoll eingerichteten Wohnung. Im Wohnzimmer standen nur vier Möbelstücke: eine Couch, zwei Sessel und ein niedriger Tisch. Keine Lampen, keine sonstigen Behälter. Kein Stereo. Kein Fernseher. Abends kam das einzige Licht aus einem Beleuchtungkörper an der Decke. Aber die vier Möbelstücke, die er besaß, zeigten eine bemerkenswert hohe Qualität, und jeder Gegenstand paßte exakt zum anderen. Tucker verfügte über einen guten Geschmack und schien chinesische Antiquitäten zu bevorzugen. Couch und Sessel, erst vor kurzer Zeit mit jadegrünem Samt neu bezogen, waren alle aus handgeschnitztem Rosenholz gefertigt, mindestens hundert Jahre alt, vielleicht auch doppelt so alt, ungeheuer schwer und guterhalten, makellose Exemplare ihrer Periode und ihres Stils. Auch der niedrige Tisch war aus Rosenholz, mit schmalem eingelegten Elfenbeinrand. Tony und Frank setzten sich auf die Couch, während sich Eugene Tucker auf die Vorderkante eines der beiden Sessel hockte.
Tony strich mit der Hand über die Armlehne der Couch und bemerkte: »Wunderschön, Mr. Tucker.« Tucker hob die Brauen. »Sie wissen, was das ist?« »Ich kann nicht genau sagen, welcher Periode es angehört«, meinte Tony, »aber ich kenne so viel chinesische Kunst, um zu wissen, daß es sich hier ganz eindeutig nicht um eine Reproduktion handelt, die Sie im Ausverkauf bei Sears erstanden haben.«
Tucker lachte. Es freute ihn, daß Tony den Wert seiner Möbel zu schätzen wußte. »Ich weiß, was Sie denken«, meinte er freundlich. »Sie fragen sich, wie ein ehemaliger Sträfling, der erst seit zwei Jahren raus ist, zu solchen Möbeln kommt. Eine Wohnung um zwölfhundert Dollar im Monat, chinesische Antiquitäten. Sie fragen sich, ob ich vielleicht wieder in den Heroinhandel oder ein ähnliches Gewerbe eingestiegen bin.«
»Tatsächlich ist das nicht die Frage, die ich stelle«, erklärte Tony. »Ich frage mich nur, wie, zum Teufel, Sie das geschafft haben. Aber daß Sie es wohl nicht mit Rauschgift verdient haben, weiß ich.«
Tucker lächelte. »Wie können Sie sich so sicher sein?« »Wenn Sie Rauschgiftdealer wären und für chinesische Antiquitäten schwärmten«, erwiderte Tony, »würden Sie das ganze Haus auf
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