Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)
höbe sie ab aus Raum und Zeit, befände sich in einer Raumfähre,
war wach in diesem Gegenwartspunkt zwischen Vergangenem und unmittelbarer Zukunft.
Das Auto wäre das einzig Reale. Die Zukunft ließ sich beeinflussen, und genau darum
ging es. Weil es absolut nötig war, und weil sie und ihre Freunde es so wollten,
entstand ein neues Muster. Man muss es zuerst denken. Sie würden die Ereignisse
in das Gedachte zwingen.
Die Autobahn
führte über die große Brücke. Sie hielt sich rechts in der Spur Richtung Wankdorf
Stadion. Das Fußballspiel, das Tizian so belastete, war übermorgen. Es war ein unglücklicher
Zufall, dass Francis ausgerechnet zum Zeitpunkt dieser verschärften Sicherheitsmaßnahmen
im Stadion herumgestolpert war. Vielleicht war es ja sein Glück. Zu einem anderen
Zeitpunkt wäre er möglicherweise trotz der Kameras einfach verschwunden. Pamela
atmete tief durch. Es konzentrierte sich alles auf morgen. Am Morgen würden Josy
und Lucius Maude aus der Klinik holen; dank Robert würde es wirklich die amerikanische
Botschaft sein, die sie übernähme. Trotz ihres Stresses wegen des Spiels würden
sowohl Gary als auch Tizian die Aktion aus dem Hintergrund beobachten und bei allfälligen
Schwierigkeiten eingreifen. Morgen Abend dann würden Gary und sie Francis’ Verschwinden
inszenieren und durchführen. Josys weiterer nicht unwesentlicher Part wäre, anschließend
zu bezeugen, dass Francis depressiv gewesen sei.
*
Jetzt, bei der Rückkehr, hörte Pamela
schon vor der Tür die streitenden Stimmen. Nein, das war nicht Lucius, das war Gary.
Und Francis schien auch nicht mehr so schlapp zu sein. Ihre Hand lag auf der Türklinke,
doch dies war möglicherweise ein schlechter Moment, das Gespräch zu unterbrechen.
Gary war in Fahrt.
»Herrgott,
wach auf, Kleiner. Hier geht es nicht um irgendeinen Trick, irgendein Abitur, ein
Fahrtenbuch oder was weiß ich was zu türken, es geht darum, ob du spätestens in
drei Tagen tot bist oder ob du die Chance packst, an einem andern Platz auf dieser
Welt weiterzuleben. Du bist doch nicht so schwerfällig, natürlich nicht in Bern
und nicht in Europa, du brauchst auch nicht Söldner zu werden, wobei du dir das
vielleicht noch überlegst.« Francis’ Stimme tönte wütend: »Das ist doch keine Perspektive.«
Gary antwortete laut und bestimmt: »Das Einzige, was du kannst, ist Kanufahren.
Vergiss nicht, du gehst mit nichts und du wirst für immer alles zurücklassen. Reg
dich nicht auf. Ich kenne einen am Yukon, einen Ranger. Bei dem kannst du arbeiten,
bist nicht der Erste, der eine Zeit lang verschwindet. Wir haben so unsere Kommunikation.
Mit einer neuen Identität kommst du aus Europa heraus, das ist das Wichtigste. Zwei
Jahre älter machen müssen wir dich schon. Einer von uns fährt dich nach Aarhuus.
Dort kriegst du neue Papiere. Dann geht’s auf Kuttern über Island und Gotland nach
Kanada. Das kriegst du nicht umsonst, du wirst hart arbeiten. Doch da schaut man
deine Papiere nicht so genau an, als knapp 20-Jähriger gehst du durch, und das war’s
dann. Zwei Jahre Yukon, das hat noch keinem geschadet, und dann kommst du zurück
in die Zivilisation, wenn du willst. Deine fehlenden zwei Jahre sind dann körperlich
auch ausgeglichen, und es wird ganz legal den nächsten Pass geben. Ob du dort zum
Militärdienst gehst oder wie du das deichselst, dafür hast du Zeit, die Frage wird
sich für dich stellen. Du bist helläugig und hellhaarig, es könnte für dich auch
in Neuseeland weitergehen. Mit Leuten wie Jurek Kalla kenne ich mich aus. Du hast
einen Vorgeschmack bekommen.«
»Von deinen
Leuten.«
»Wie oft
muss ich dir sagen, dass ich das nicht war. Du hast keine Wahl. Vielleicht ist ja
mit diesen Plänen nur irgendein gigantischer Betrug gelaufen und es ist dein Pech,
wenn du sie kennst. Aber genauso wenig geht es mit Kallas Selbstverständnis und
mit seiner Autorität. Er hat den Befehl gegeben, dich wegzuräumen. Er hat dazu die
Möglichkeiten, und keiner wird ihn daran hindern.«
Jetzt betrat
Pamela endlich das Zimmer. Gary saß auf dem tiefen Sofa. Bei ihrem Eintreten stemmte
er sich hoch. »Pamela, endlich.« Francis stand schlapp beim Fenster, sah fürchterlich
aus mit seinem Verband, völlig abgemagert. Sie trat rasch zu ihm: »Ich dachte doch,
du bleibst noch liegen. Kommt, setzt euch doch an den Esstisch, ich denke, dort
sitzen wir alle bequemer. Hast du schon etwas gegessen? Eine Tasse Kaffee tut auf
jeden Fall gut.«
Francis
redete vor
Weitere Kostenlose Bücher