Foundation 01: Meine Freunde, die Roboter
Namen waren unwesentlich, wenn die beiden
Brüder beisammen waren, denn sie sahen gleich aus.
Wenn sie Zwillinge gewesen wären – aber damals war es
verboten, zwei Kinder auszutragen. Sie sahen sich eben ähnlich
wie ein Ei dem anderen. Obwohl Anthony Smith fünf Jahre
jünger war, hatte er dieselbe gebogene Nase, dieselben schweren
Lider, dasselbe Grübchen am Kinn – sie waren das verdammte
Produkt genetischer Anziehung, wie die Eltern immer wieder betont
hatten.
Jetzt, wo sie beisammen waren, gab es erst einmal erschreckte
Blicke, dann erzwungenes Schweigen. Anthony versuchte diese Reaktion
zu ignorieren, aber William konnte es sich aus schierer
Perversität oder auch Perversion nicht verkneifen zu sagen,
daß sie Brüder waren.
»Oh!« hieß es dann, und man sah der jeweiligen
Person an, wie mühsam sie die Frage unterdrückte, die alle
interessierte, nämlich, ob sie Blutsbrüder waren. In den
meisten Fällen siegte die gute Erziehung, und man wandte sich
ab, als sei das nicht weiter von Bedeutung. Aber letztlich passierte
es nicht allzu häufig. Fast alle, die an dem Projekt arbeiteten,
wußten mit der Zeit Bescheid und mieden die Brüder.
Nicht, daß William ein unrechter Typ gewesen wäre.
Überhaupt nicht. Wenn er nicht Anthonys Bruder gewesen wäre
oder sie wenigstens verschieden ausgesehen hätten und dadurch
die Angelegenheit verschleiert gewesen wäre, hätten sie die
besten Freunde sein können.
Aber so…
Daß sie als Kinder miteinander gespielt hatten und durch
geschickte Manipulationen ihrer Mutter in derselben
Jugendbewahranstalt erzogen worden waren, machte die Sache nicht
leichter. Da ihre Mutter zwei Söhne von ein und demselben Vater
geboren hatte und damit für sie die Grenze erreicht war –
sie hatte die strengen Bedingungen nicht erfüllt, die
Voraussetzung für die Geburt eines weiteren Kindes gewesen
wären –, hatte sie sich eingebildet, beide auf einmal
besuchen zu können. Sie war stets eine merkwürdige Frau
gewesen.
William hatte die Jugendbewahranstalt als erster verlassen, er war
ja schließlich auch der ältere, und war Wissenschaftler
geworden – Genetiker.
Anthony hatte davon noch in der Bewahranstalt erfahren, durch
einen Brief seiner Mutter. Er war damals alt genug gewesen, um mit
der Vorsteherin ein ernsthaftes Wort zu reden, und weitere Briefe
waren ausgeblieben. Aber an den letzten würde er sich sein Leben
lang erinnern. Die Schande war entsetzlich gewesen.
Anthony war schließlich auch in die Wissenschaft gegangen.
Er hatte Talent dafür gezeigt und war praktisch dazu gezwungen
worden.
Von panischer und – wie sich herausgestellt hatte –
begründeter Angst getrieben, hatte er sich der Telemetrie
zugewandt, weil diese seiner Meinung nach im krassen Gegensatz zur
Genetik stand. Im Verlauf der Entwicklung des Projekts Merkur jedoch
schlug das Schicksal zu.
Es kam die Zeit, wo das Projekt in eine Sackgasse geraten zu sein
schien; es wurde ein Vorschlag gemacht, der die Situation rettete und
Anthony in das Dilemma hineinzog, für das seine Eltern ihn
programmiert hatten.
Und das Ironische war, daß Anthony den Vorschlag gemacht
hatte.
2
William Anti-Aut hatte von dem Projekt Merkur gewußt, aber
nur, weil er von der Stellarsonde gewußt hatte, die längst
vor seiner Geburt ausgeschickt worden war und nach seinem Tod ihr
Ziel noch immer nicht erreicht haben würde. Und damit hatte er
auch von der Existenz der Marskolonie gewußt und von den
Versuchen, weitere Kolonien auf den Asteroiden zu errichten.
Derlei Dinge gelangten nur bis an die Peripherie seines Denkens
und waren für ihn nicht weiter wichtig. Berichte über die
Bemühungen, die angestellt wurden, um das All zu erforschen und
zu besiedeln, hatten im Zentrum seiner Interessen keinen Platz
gehabt, bis er eines Tages, er erinnerte sich vage daran, in einer
Zeitung Fotos von Männern gesehen hatte, die am Projekt Merkur
arbeiteten.
Seine Aufmerksamkeit war durch die Tatsache geweckt worden,
daß einer der Männer Anthony Smith hieß. Er
erinnerte sich an den seltsamen Namen, den sein Bruder gewählt
hatte, und er erinnerte sich auch an seinen Bruder. Zwei Anthony
Smith konnte es nicht geben.
Erst dann hatte er das Foto genauer betrachtet und das Gesicht
wiedererkannt. Er hatte in den Spiegel geblickt und es mit seinem
eigenen verglichen. Es war eindeutig.
Ein Lächeln hatte sich seiner bemächtigt, aber es war
ein schmerzliches Lächeln gewesen, denn er hatte sofort erkannt,
was für
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