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Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Titel: Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Jacobs
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Keller rannte und mich wie ein kleines Kind hinter dem Sofa versteckte. Da erschien mir Dr. Wagner, der Arzt aus Littenheid, und ich sagte mir, ich müsse den Ängsten begegnen, um sie zu überwinden. Die Angst stand in Gestalt meiner Mutter in der Tür und meinte, ich würde jede vernünftige Unterhaltung unmöglich machen, wenn ich schluchzend dasäße. Ich solle jetzt sagen, was ich wolle. Ich blieb sitzen. Sie ging und ließ mich nachdenken. In jenem Moment war mein Verlangen nach einem Pferd größer denn je. Lasst mich frei, flehte ich innerlich. Ich konnte mich vor ihnen nicht dieser Frage stellen, denn was ich wollte, war nicht das, was meine Eltern für mich wollten. Ich wollte wegreiten, wollte alleine sein, wollte allem aus dem Weg gehen und dort schwach sein, wo es niemanden und nichts kümmerte – in der Wildnis. Doch dann begriff ich, dass nur ich diejenige war, die sich befreien konnte. Ich konnte hier nicht sitzen und auf das Kommando warten. Wenn ich wegwollte, musste ich selbst gehen.
    Ich blieb noch eine Weile hinterm Sofa sitzen. Ich überlegte angestrengt, wo ich denn würde hingehen wollen. Das einzige Land, das meine holprige Schullaufbahn zu einem Ende bringen könnte, war Deutschland. Eine deutsche Schule, die kein Internat war wie Salem, schien mir am wenigsten fremd.
    Also ging ich zögernd die Treppen hoch und begab mich wieder an den Esstisch. Meine Eltern erwarteten eine Alternative zu Salem. Ich dachte noch mal nach: Nach Amerika konnte ich nicht zurück, für Frankreich war mein Französisch zu schlecht, in England passte das Schulsystem nicht, die Schweiz kam nicht in Frage, da ich hier ja nur wegwollte, Italien, Belgien, Polen, nein: da blieb nur Deutschland. In Deutschland selbst kam von den Großstädten, die ich kannte, weder das dunkelblaue, enge Hamburg noch das goldglänzende München in Frage. So kam ich schließlich auf Berlin.
    »Ich gehe nach Berlin«, erklärte ich. Meine Eltern blieben stumm. Berlin war unter anderem auch gerade in meinen Fokus gerückt, da meine Schwester dort ein Auslandsjahr auf der Humboldt-Universität absolvierte. Für meine Eltern war es also auch nicht die allerschlechteste Alternative, da es nun dort durch ihren Aufenthalt bereits ein paar Anknüpfungspunkte gab.
    Im Internet suchte ich nach Gymnasien in Berlin. Hinzu kamen einige Empfehlungen von Freunden meiner Eltern, darunter das Gymnasium zum Grauen Kloster, das Canisius-Kolleg und die John-F.-Kennedy-Schule. Im Grauen Kloster rief ich an und erklärte: »Ich komme aus der Schweiz, habe hier auch die zehnte Klasse abgeschlossen, bin vor einem Jahr aus Amerika nach Zürich zurückgekehrt, habe mich neu orientiert und will im Sommer in Berlin zur Schule gehen« – der Hörer wurde aufgelegt.
    Das Canisius-Kolleg war freundlicher. Die riefen sogar zurück, und ich drang bis zum Direktor vor. Doch auch diese Tore blieben versperrt, da ich nie ein Wort Latein gelernt hatte. In der Kennedy-Schule wurde mir erläutert, dass frühestens in fünf Jahren ein Platz frei würde.
    Ich rief in weiteren Schulen an, bis ich eine fand, die mir anbot vorbeizukommen. Ich schaffte es, meine Hände aus den Fesseln zu befreien, dem Henker einen Tritt zu versetzen, aus dem Strick zu schlüpfen und zu fliehen.
    Unterdessen telefonierten meine Eltern herum und suchten in ihrem Freundeskreis irgendjemanden, der jemanden in Berlin kannte, der mich würde aufnehmen können.

2
    Be reits im Frühjahr anlässlich eines Geburtstages, zu dem ich mit meinen Eltern und meiner Schwester eingeladen worden war, hatte ich Berlin zum ersten Mal besucht. Das bedeutete zwar nicht, dass ich die Stadt kannte, doch mir waren einige Eindrücke von diesem Wochenende geblieben.
    Mir waren schon damals die eigenartigen Namen der Bezirke, Straßen und Schein-Berge aufgefallen. Als ich bei einem Spaziergang hörte, dass wir uns »hier am Fuße« des Teufelsberges befanden, wirkte das auf mich abstoßend und anziehend zugleich. Doch die Anziehung schien größer. Ein Berg aus Schutt, und drumherum lauter tanzende Teufel – Junge, Junge! Mit denen wollte ich mich verbrüdern. Charlottenburg klang für mich nach einer großen, romantischen Burg mit Schießscharten und Rankrosen an der Sandsteinfassade. Dass man in einem Wort wie diesem leben konnte, fand ich ungewöhnlich. Mitte klang anonym und undefiniert. Wessen, welche Mitte war da gemeint? Mitte war für mich ein Punkt, keine Fläche. Der Kurfürstendamm klang in meinen Ohren nach

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