Frau des Windes - Roman
kann, jagt die Brutalität der Heilungsmethode ihr Angst und Schrecken ein.
»Als sie aus Madrid kam, war sie ein menschliches Wrack. Mittlerweile geht es ihr wesentlich besser, auch wenn Sie das nicht merken«, erklärt Don Luis stolz.
»Wie lautet also der Bericht?«
»Wir arbeiten nach der allerneusten neuropsychiatrischen Methode und stehen in Verbindung mit dem großen ungarischen Mediziner Ladislas J. Meduna, dem Entdecker des Metrazol, das wir zur Heilung von Fällen wie dem von Miss Carrington einsetzen. Bei ihr haben wir damit große Fortschritte erzielt, diese Therapie ist die modernste in ganz Europa.«
»Ist es dieselbe, die Sie auch bei den anderen Patienten anwenden, die so krank aussehen? Ihre Methode ist erniedrigend, wenn Mr. und Mrs. Carrington hier wären, würden sie sie niemals gutheißen.«
Don Luis kocht vor Wut. Diese verdammte Alte! Aber Maßnahmen braucht er gegen sie nicht zu ergreifen, es reicht schon, wie seine Patientin sie behandelt. Am Abend erlaubt Don Luis Leonora, sich im Ärztespeisesaal einen Platz auszusuchen.
»Ich will da sitzen, wo ich sehen kann, wer rein- und rausgeht!«, schreit sie.
»Schreien ist eine kathartische Befreiung und hilft einem, sich besser zu fühlen, aber bitte schreien Sie nicht bei Tisch.«
»Ich habe aber eben Ihre Schwester Covadonga hereinkommen sehen!«
»Unmöglich. Na ja, schreien ist immer noch besser als eine Blockade.«
»Ich hatte nie eine Blockade.«
»Wirklich nicht? Ich werde Ihnen das Gegenteil beweisen, ich werde Ihnen helfen, sich verbal zu entdecken.«
»Was meinen Sie damit?«
»Wiederholen Sie die Schreiszene von eben, aber diesmal ruhig und vernünftig.«
»Ich bin von niemandem abhängig, schon gar nicht von meinen Eltern, ich bin eine einmalige Erscheinung. Meine Eltern sind nichts.«
»Leonora, suchen Sie nicht nach irgendwelchen Zauberformeln, um Ihrem Leiden auf den Grund zu kommen. Arbeiten Sie daran, es auszumerzen.«
»Sie sind es, der meine Seele ausmerzen will, Sie mit Ihrer Behandlung. Sie sind ein Seelentöter, ein Seelenmörder.«
»Was haben Sie von Ihrer Feindseligkeit, Leonor? Die rationalen Gründe, die Sie hierher geführt haben, lassen sich leicht nachvollziehen – der Krieg, die Bombenangriffe, der Tod und dass Max Sie verlassen hat –, aber Ihr jetziges Verhalten ist unmöglich zu verstehen.«
»Max hat mich nicht verlassen, wer weiß, in welchem Lager er steckt.«
»Mehr hätten Sie doch gar nicht tun können, Leonor. Sind Sie nicht sogar mit ihm nach Les Milles gefahren?«
»Wann habe ich Ihnen das erzählt? Seitdem ich hier bin, habe ich den Mund nicht aufgemacht.«
»Seien Sie nicht so argwöhnisch. Denken Sie daran, in welcher Verfassung Sie waren, als Sie hierherkamen, und dann schauen Sie sich an, wie hübsch Sie jetzt aussehen, mit Ihrem zusammengebundenen Haar und Ihrem klaren Blick.«
»Das verdanke ich Piadosa und José … na gut, letztlich auch Nanny.«
»Wir beheben hier Verhaltensstörungen, wir lehren unsere Patienten Selbstdisziplin.«
»Ich glaube nicht an Selbstdisziplin, ich glaube an Inspiration.«
»Versuchen Sie als Erstes, weniger zu rauchen, Rauchen schadet Ihrer Lunge.«
»Rauchen ist das Einzige, was mich beruhigt.«
»Ich raten Ihnen, jedes Mal, wenn Sie eine rauchen, die brennende Glut für ein paar Sekunden in den Mund zu stecken.«
Leonora tut, was er sagt, und der Arzt lässt fünfzehn Sekunden verstreichen, bevor er ruft:
»Nehmen Sie die Zigarette aus dem Mund, verdammt, Sie verbrennen sich noch!«
»Habe ich Ihnen nicht gesagt, dass ich ein Fakir bin, die Braut der großen indischen Schabe?«
Don Luis lädt sie zu ihrem ersten Ausgang ein und nimmt sie in seinem Wagen mit. In einer Allee stoßen sie auf einen singenden Trupp Soldaten. Bei ihrer Rückkehr empfängt Nanny sie mit ihrem Philosophierstab in der Hand.
»Ich habe ihn mir genommen, um mich gegen die Irren zu verteidigen.«
»Was fällt dir ein, meinen Schatz, mein sicherstes Erkenntnismittel, so zu missbrauchen? Ich hasse dich mehr denn je.«
Don Luis erlaubt ihr, sich aus der Bibliothek Bücher zu holen.
Angesichts der Fülle von Büchern streckt Leonora euphorisch die Hand nach einem Band aus. Die Krankenschwester steht hinter ihr und hindert sie durch ihre bloße Anwesenheit daran, sich das ausgesuchte Buch zu nehmen. Leonora wirft alle Bücher in ihrer Hand zu Boden.
»Ich akzeptiere die Macht nicht, die Sie hier alle gegen mich ausüben!«, faucht sie den Arzt an, der besorgt
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