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FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter

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Titel: FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Wittwer
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Versuche der kaiserlichen Miniere, Gänge unter die Stadtmauer zu graben, waren bisher gescheitert. Felsbrocken hatten ihnen die Arbeit schwer gemacht, und Wassereinbrüche durch die nahe Elbe ließen die Tunnel absaufen. Am Donnerstagmorgen war es ihnen endlich gelungen, unter der Stadtmauer eine Sprengladung zu zünden. Doch die Explosion war zurückgeschlagen und hatte viele Arbeiter und Soldaten getötet. Tillys Angriffe standen bisher unter keinem guten Stern. Das ließ die Magdeburger hoffen.
    Druckermeister Stetter ließ sich jedoch durch diese Erfolge und das Versprechen von Oberstleutnant Joachim von der Staude nicht blenden.
    »Der Schwedenkönig wird für die Rettung der Stadt nicht einmal ein blaues Auge wagen«, brummte er nur und lud weiter Holzkisten mit seinen kostbaren Büchern auf die schwarz lackierte Sturzkarre, in die er seinen Rappen eingespannt hatte.
    Vor zwei Tagen war er bei den Prämonstratensermönchen gewesen und hatte sie um Erlaubnis gebeten, die Sammlung seiner Bücher in ihrer Bibliothek unterstellen zu dürfen, bis bessere Zeiten angebrochen waren. Die neun Chorherren hatten sofort zugestimmt und eilig einen Vertrag darüber aufgesetzt. Schließlich hatte Meister Stetter ihnen ein hübsches Sümmchen Geld versprochen – einen Teil sofort, den anderen, um einiges höheren Betrag, wenn er seine Bücher wieder abholen würde.
    Als alles aufgeladen war, führte er den Rappen am Zaumzeug die Straße hinunter zum Kloster. Anneliese begleitete ihn, wagte aber nicht, sich auf die überladene Karre zu setzen, aus Angst der Riegel könnte wieder brechen. Kein junger Kavalier würde sie diesmal auffangen.
    Gedankenverloren ging sie neben ihrem Vater die Straße hinunter. Ob die Bücher jemals wieder in ihrer Hausbibliothek stehen würden? Sie liebte diese wertvollen Folianten, diese in Schweinsleder gebundenen und mit schweren Messingschlössern versehenen Bücher. Sie eröffneten ihr vergangene Zeiten, fremde Welten, neue Gedanken und Einsichten.
    Eine Frau saß eng an die Mauer des Klosters gedrückt. Ihre Augen blickten verloren auf die Straße. Es war die Sybille von Magdeburg. Mit zittriger Stimme sang sie ein Lied, während ihre Finger in den herunterhängenden Haaren spielten:
    Meine Freunde und Verwandten,
meine Nachbarn taten all,
als wenn sie mich nicht kannten
verließen mich zumal.
    Dem ich mein Kranz verheißen,
kann mich erretten nicht.
Sein Zusag will er nicht leisten,
wie er wohl war verpflicht'.
    »Armes Ding!«, sagte Anneliese zu ihrem Vater. »Sie hat so vielen Menschen als Heilkundige geholfen, aber als man sie als Hexe verdächtigte, haben sie alle im Stich gelassen. Niemand hat zu ihr gehalten! Und auch der Mann, von dem sie schwanger war, hat sie verraten. Sicherlich hatte er ihr versprochen, sie zu heiraten, und sie hat ihm dafür den ›Kranz ihrer Jungfräulichkeit‹ geschenkt. Feiger Kerl! Hätte er sich zu ihr bekannt, wäre ihr die Folter erspart geblieben, und ihr Kind wäre nicht gestorben.«
    Carl-Ulrich Stetter nickte, fragte aber dann: »Meinst wirklich, sie singt von ihrer treulosen Verwandtschaft und ihrem verlogenen Liebsten? Sie ruft doch sonst ihr ›Wehe‹ über die Stadt. Könnte es sein, dass sie die Jungfrau Magdeburg meint, die – bildhaft gesprochen – ihren Kranz dem Leipziger Konvent angeboten und ihn um Hilfe angefleht hat? Du weißt doch, von den zu Leipzig versammelten Kurfürsten, Fürsten, Ständen und Städten kamen bisher nur bedauernde Worte. Ein paar Tausend Soldaten wären hilfreicher gewesen. Dazu hatten sie sich ja auch verpflichtet.«
    »Du hast recht, Vater«, nickte Anneliese, »vielleicht ahnt sie ja mehr von der Zukunft, als wir wissen.«
    Nachdem sie die beschrifteten Bücherkisten in der Klosterbibliothek gelagert hatten, kehrten Anneliese und ihr Vater mit gutem Gefühl nach Hause zurück. Ihr größter Schatz war in Sicherheit.
    Als sie vor dem mit Schnitzereien verzierten Fachwerkhaus standen, las Anneliese halblaut den Segensspruch über der Haustür:
    Gott bewahre uns und dieses Haus
vor Feuer und vor Wassernot
und vor dem schnellen bösen Tod.
    Ein Gedanke schoss ihr durch den Kopf. Sie blickte ihren Vater an und sagte: »Falls Tilly tatsächlich die Stadt erobert, sollte hier ein großes Schild hängen.«
    »Was für ein Schild?«
    »Haus und Druckerei beschlagnahmt von Feldmarschall Gottfried Heinrich Graf zu Pappenheim!«
    Carl-Ulrich Stetter blickte sie verständnislos an, doch dann klärte sich sein Blick sehr

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