French, Tana
eines
der Häuser betreten oder verlassen hat, irgendwas in der Art?«
Ich sagte:
»An ein paar Dinge erinnere ich mich. So um Mitternacht herum, die genaue
Uhrzeit kann ich dir nicht sagen, hab ich Geräusche gehört, als würde ein
Pärchen irgendwo in der Nähe es miteinander treiben. Im Rückblick allerdings
hätte es beides sein können, eine heiße Nummer oder ein Kampf. Und später, etwa
zwischen Viertel nach eins und halb zwei, ist irgendjemand durch die Gärten auf
der Straßenseite mit den geraden Hausnummern gegangen. Ich weiß nicht, ob dir
das nach der langen Zeit noch was nützt, aber vielleicht kannst du ja doch was
damit anfangen.«
»Alles
könnte nützlich sein«, sagte Rocky vage und schrieb drauflos. »Das weißt du ja
selbst. Und damit hatte es sich an menschlichen Aktivitäten? Die ganze Nacht,
in so einer Nachbarschaft? Seien wir ehrlich, das ist nicht gerade wie in den
grünen Villensiedlungen.«
So
allmählich ging er mir auf den Wecker, worauf er es vermutlich anlegte, daher
hielt ich die Schultern entspannt und ließ mir Zeit mit meinem Bier. »Es war
Sonntagnacht. Als ich raus zum Treffpunkt ging, war alles geschlossen und so
ziemlich jeder im Bett, sonst hätte ich noch länger gewartet. Es war absolut
still am Faithful Place. Ein paar Leute waren noch wach und haben geredet, aber
kein Mensch ist die Straße rauf- oder runtergegangen oder hat irgendeines der
Häuser betreten oder verlassen. Ich habe Leute um die Ecke gehört, Richtung New
Street, und zwei-, dreimal ist jemand so nahe gekommen, dass ich aus dem
Lichtkegel von der Laterne getreten bin, damit mich keiner sieht, aber ich
habe niemanden erkannt.«
Rocky
drehte nachdenklich den Stift und betrachtete das Licht, das über die
Oberfläche glitt. »Dann hat dich also keiner gesehen«, wiederholte er. »Weil
keiner wusste, dass ihr beide ein Paar seid. Hab ich das richtig verstanden?«
»Ja,
richtig.«
»Diese
ganze Geheimnistuerei. Gab es dafür einen besonderen Grund?«
»Rosies
Vater konnte mich nicht leiden. Er ist an die Decke gegangen, als er erfuhr,
dass wir beide zusammen waren - deshalb haben wir ab da unsere Beziehung
heimlich geführt. Wenn wir ihm erzählt hätten, dass ich mit seinem kleinen
Mädchen nach London gehen wollte, hätte es einen heiligen Krieg gegeben. Ich
fand, es wäre einfacher, Vergebung zu bekommen als eine Erlaubnis.«
»Manche
Sachen ändern sich nie«, sagte Rocky ein wenig bitter. »Wieso konnte er dich
nicht leiden?«
»Weil er
keinen Geschmack hat«, grinste ich. »Dieses Gesicht muss man doch einfach
lieben, oder?«
Er grinste
nicht zurück. »Im Ernst.«
»Das musst
du ihn schon selbst fragen. Er hat mich an seinem Gedankenprozess nicht
beteiligt.«
»Mach ich.
Wusste sonst irgendwer von euren Plänen?«
»Ich hab
niemandem was erzählt. Soweit ich weiß, Rosie auch nicht.« Mandy hatte ich voll
auf meiner Seite. Rocky konnte von mir aus ruhig mit ihr reden, es würde ihm
nichts bringen. Bei dem Gespräch hätte ich liebend gern zugesehen.
Rocky
überflog seine Notizen, ließ sich Zeit und trank von seinem Bier. »Schön«,
sagte er schließlich und klickte die Miene seines Edelstifts rein. »Das dürfte
vorerst genügen.«
»Frag
deinen Boss, was er meint«, sagte ich. Die Chance, dass er mit seinem Boss
sprechen würde, lag zwar bei null, aber wenn ich zu leicht klein beigab, würde
er sich fragen, was für einen Plan B ich in der Hinterhand hatte. »Wenn er das
alles hört, lässt er sich vielleicht vor lauter Rührung zu ein bisschen
Kollaboration mit mir erweichen.«
Rocky sah
mir in die Augen und blinzelte bloß eine halbe Sekunde zu lang nicht. Er dachte
genau das, was mir in dem Augenblick klar geworden war, als ich von dem Koffer
hörte. Der offensichtliche Verdächtige war der Typ vor Ort, der ein Motiv und
die Gelegenheit und nicht den Hauch eines Alibis hatte, der Typ, der auf Rosie
Daly gewartet hatte, der Typ, den sie wahrscheinlich in der Nacht abservieren
wollte; der Typ, der behauptete, Ehrenwort, Officer, dass sie nie am Treffpunkt
erschienen war.
Keiner von
uns beiden wollte das als Erster auf den Tisch bringen. »Ich tu, was ich kann«,
sagte Rocky. Er steckte das Notizbuch in seine Jacketttasche. Er sah mich nicht
an. »Danke erst mal, Frank. Kann sein, dass wir das noch mal durchgehen müssen,
irgendwann.«
»Kein
Problem«, sagte ich. »Du weißt ja, wo du mich findest.«
Er trank
sein Glas mit einem Zug aus. »Und merk dir, was ich dir geraten habe.
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